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cei-nv (ein aus gerissenen Graupen und getrockneten Schwämmen gebackenes Gericht)
nicht fehlen. Ein leeres Besteck wird für einen „unverhofften Gast" in Bereitschaft gehalten.
Nach dem Essen bekommt ein Jeder einen Weihnachtsstriezel (vänoeka,Slv6i 0v^a), Äpfel und
Nüsse. Aber auch die Hausthiere bekommen ihren Antheil; den Kühen gibt man ein Stück
Striezel, damit sie viel Milch geben, der Hund, der Hahn, Gänserich und Enterich bekommen
Knoblauch, damit sie hitzig seien, die Hühner Hirse und Erbsen, um viel Eier zu legen; ja
sogar der Brunnen, aus welchem man das ganze Jahr Wasser schöpft, bekommt ein Stück
Weihnachtsstriezel, Äpfel und Nüsse, während die Fischgräten unter die Obstbäume ver-
graben werden, um sie fruchtbar zu machen; die Brosamen vom Abendmahl werden ins
Feuer geworfen. Der Christbaum ist fremden Ursprungs und kommt nur in den Städten vor.
Nach dem Abendessen werden Orakel befragt. Die Art der Orakelbefragnng ist so
mannigfaltig, daß wir uns hier nur auf einige Fälle beschränken wollen. Man schneidet
einen Apfel in der Mitte entzwei, und wenn die Kerne die Form eines Sterns haben, so
wird man lange und glücklich leben; die Kreuzform bedeutet den Tod. Namentlich sind es
die Mädchen, welche gerne wissen möchten, ob sie bald heiraten und was für einen Mann
sie bekommen werden. Sie gehen in den Obstgarten hinaus, schütteln dort an einem Bauin
solange, bis sie einen Hund bellen hören: von wo das Bellen kommt, von dort kommt
ihr Bräutigam. Oder sie klopfen an den Hühnerstall: läßt sich der Hahn hören, so bekommen
sie einen Witwer, läßt sich eine Henne hören, so bekommen sie einen Junggesellen zum Mauu.
Auch werfen sie in der Stube einen losen Schuh oder Pantoffel mit dem Fuß über deu
Kopf in die Höhe; wenn sich der Schuh mit der Spitze der Thüre zukehrt, so werden sie
im künftigen Jahre heiraten. Ferner schauen sie in den Backofen, um dort iu der Dunkelheit
die Zukunft zu erblicken: wenn sie Feuer erblicken, so steht eine Fenersbrnnst bevor; wenn
sich drinnen eine Leiche zeigt, so wird Jemand im Hause sterben n. s. w.
Um Mitternacht führen die Thiere, namentlich die Rinder, untereinander ein Gespräch,
es ist jedoch nicht rathsam, dasselbe zu belauschen. Um dieselbe Stunde verwandelt sich das
Wasser auf eine Minute in Wein. Um Mitternacht geht man in die Kirche zur Mette,
und wer um diefeStuude auf deuKirchhof geht, der kauu da diejenigen, welche im zukünftigen
Jahre sterben werden, sehen, denn diese gehen mit den Verstorbenen zur Mette.
Am Stefans tage (26. December) gehen die Kinder aus der Ortschaft herum, vor
den Hausthüren sogenannte Koledalieder absingend, wofür sie von der Hausfrau mit
einer kleinen Gabe (Äpfeln, Nüssen, Striezeln, Geld) beschenkt werden.
Geburt , Heirat . Nach dem böhmischen Volksglauben befinden sich die Kinder
vor der Geburt in den Schwämmen (na koubüek) im Walde, und von dort bringt sie
der Storch oder die Krähe (auch der Fuchs): die Krähe bringt sie durch das Fenster, der
Storch läßt sie durch den Rauchfang ins Haus fallen. Bald nach der Entbindung kommen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch