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dem Händewaschen die „Geheimnißschüssel" (misa tsMosti) auf den Tisch. Der ckruöda
bringt nämlich eine große, mit einer zweiten zugedeckte Schüssel, stellt sie vor die Braut
und läßt alle rathen, was darin enthalten ist. Die Gäste rathen hin und her, endlich wird
die Schüssel aufgedeckt, und zum allgemeinen Ergötzen findet man eine Überraschung:
rohe Erdäpfel, eine Maus, eine Henne, junge Küchlein und Ähnliches; dies nimmt die
Braut mit sich in ihren neuen Haushalt. Erwähnenswerth ist auch das „Erbsenwerfen".
Wenn die Mahlzeit zu Ende geht, beginnen die Frauenzimmer nach den Männern mit
Erbsen (wohl auch mit Mandeln, Eonfect u. s. f.) zu werfen, um deren Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken. Die Männer erwiedern das Manöver. Anfangs wirft man mit einer,
dann mit beiden Händen, dann geht es los wie ein Hagelwetter, so daß schließlich Alles,
Tische, Stühle, Fußboden, mit Erbsen und Zuckerwerk dicht besäet ist.
Zum Schlüsse bringt der ärnxba einen großen Kuchen (komole, ähnlich dem korovsj
der Russen), in welchen ein mit allerlei Leckerbissen, Zuckerwerk, Mandeln, Nüssen, Äpfeln
und dergleichen behängtes Bäumchen eingesteckt ist, und stellt es auf den Tisch vor die
Braut. Die Weiber und Jungfrauen stimmen ein Lied an, und die Braut muß das
Bäumchen schütteln, welches so eingerichtet ist, daß ihr eine Wiege oder ein Kindlein zum
allgemeinen Gelächter herunterfällt. Dann trachtet Jeder etwas von dem Bäumchen zu
erhaschen, worauf der Kuchen in Stücke geschnitten und unter die Gäste vertheilt wird.
Nach der Mahlzeit geht die ganze Gesellschaft ins Wirthshaus, voran der druckn
mit Musik. Dort wird gesungen und getanzt bis Mitternacht. Um Mitternacht wird die
Braut dem Bräutigam zugeführt: zwei Musikanten, der Bräutigam mit der Braut, der
ckruöba mit der Brautjungfer und die weiblichenHochzeitsgäste begeben sich in die Wohnung
der Braut; nachdem der ckruöba die Neuvermählten in das Schlafgemach geführt und
dasselbe verschlossen hat, kehrt die Gesellschaft unter Gesang ins Wirthshaus zurück, wo
sie sich bis zum Morgen unterhält. Früh morgens kommt sie mit Musik, um die Braut
zu wecken, und zieht dann im Dorfe herum, vor jedem Gebäude aufspielend. Mittags
versammelt sie sich wieder in der Wohnung der Braut, wo sie bewirthet wird.
Nach dem Mittagsessen kommen die Wagen des Bräutigams, um die Braut und
ihre Ausstattung wegzuführen. Während nun die Braut von ihren Eltern rührenden
Abschied nimmt, wird der Hausrath der Braut auf den Wagen aufgeladen, zu uuterst die
Truhen, Kasten, Schränke, der Backtrog n. s. w., darauf die Federbetten und auf diese zu
oberst setzt sich ein altes Weib mit einem Spinnrad und Spinnrocken. Die Braut sitzt mit
ihren Freundinnen auf einem besonderen Wagen, vor welchen zwei bis sechs Pferde
eingespannt sind. Dazu werden die schönsten Rosse genommen und mit rothen, in Mähne
und Schweif eingeflochtenen Bändern geziert. Die männlichen Hochzeitsgäste fahren
auf einem besonderen Wagen oder reiten mit dem Bräutigam. Die Musikanten sitzen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch