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Den gleichen Proceß, wo nämlich nicht zu den Worten die Melodie gefunden wird,
sondern die Worte sich an eine vorhandene Melodie anschließen oder gar durch dieselbe
geradezu veranlaßt und gleichsam hervorgerufen werden, nehmen wir noch in anderer
Richtung wahr. Volkslieder ernsten Charakters führen oft auf die Melodie eines alten
Kirchenliedes zurück; wir kennen auch solche, denen die Weisen der volksthümlich gewordenen
Melodie eines Tonkünstlers zu Grunde liegen. Viel häufiger tritt der andere Fall ein,
nämlich durch die Verschwisteruug von Lied und Tanz. Der Böhme hat, oder vielmehr
Stanislaus Sucharda: „Das Wiegenlied."
hatte in seiner früheren Abgeschlossenheit nicht einen Nationaltanz, wie der Südslave
sein Kolo, der Kleinpole seinen Krakowiak; ebenso unerschöpflich wie in seinen Liedern
war der Böhme in der Mannigfaltigkeit seiner Tänze und Tanzweisen, und zu den letzteren
kamen dann Texte eines oft auf dem Tanzboden selbst erfundenen Liedes. Die lustigen
Weisender Musik, die übersprudelnde Lebhaftigkeit und Munterkeit der Bewegung, sie
waren der berauschende Quell, aus welchem die Erfindungsgabe des Burschen schöpfte, der
ihu zum Stegreifdichter uud seine Genossen zum schnell einfallenden Chorus machten.
In solcher Weise lebten Lied und Tanz in dem böhmischen Volke fort, fast von ihm
allein gekannt und geübt, kaum von einem und dem anderen Volks- oder Literatnrsrennde
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch