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Zeit Neues erfahren. Das ehemalige Volkslied in seiner urwüchsigen Anspruchslosigkeit
wird es wohl, eben wegen des geänderten Zeitgeistes, kaum mehr sein, doch jenes alte
Volkslied wird darum nicht auf den Aussterbe-Etat gesetzt sein. Und wenn verständniß-
uud liebevolle Forscher dafür gesorgt haben, den uns überlieferten Schatz an Texten und
Melodien vor der Vergessenheit zu bewahren, so hat auch der enge Zusammenhang, der
überhaupt zwischen Volksthum und Wiedererwachen des nationalen Geistes besteht, es mit
sich gebracht, daß die Schätze der Volksmusik, weit entfernt zu einem todten ethnographischen
Cnriosum zu werden, vielmehr seit den Sechziger-Jahren, zunächst seit Krlzkovsky und
Smetaua eine glänzende Renaissance aus dem Boden der Kunstmusik, selbst in ihren
edelsten und höchsten Formen erlebten.
Die slavischen Dialecte.
Die Sprache der Slaven in Böhmen zeigt schon in den ältesten Denkmälern
dialeetische Eigenthümlichkeiten, welche auch heute wiederkehren. So im Anlaute k: koken,
Kobens (Ps. Witt.) oder sehr oft v: voden, volcv; oder das ältere sriebro, srecta, statt
striedro, stteäa u. s. w. Auch das chodische bul, lmlica findet sich schon im XVI. Jahr-
hundert.
Gleich den Dialecten selbst ist auch die Übersicht, wie sich ihr Studium in Böhmen
entwickelte, von einigem Interesse. Die ersten Spuren dieses Studiums findet man schon
in den Schriften I. Hns', welcher mit der Umbildung der damaligen Orthographie den
Prager Dialect zur Schriftsprache erhob und dabei verschiedene Abweichungen aus Süd-
böhmen eingeführt hat. Verständnißvoller trat an das Werk I. Blahoslav (gestorben
1571), einer der berühmtesten böhmischen Brüder, in seiner Grammatik, welche im
Jahre 1857 von Hradil und Jirecek herausgegeben wurde. Er hat ein reiches Material
aus verschiedenen Gegenden Böhmens und Mährens gesammelt, und zwar als Beispiele
trivialen Sprechens. Nachdem er die „Bauern- und Werkstattsprache" im Allgemeinen
der Schriftsprache gegenübergestellt, führt er mit einer Menge von Beispielen speciell die
Mundarten von Prag, Leitomischl, Nimbnrg, Bnnzlau, Humpolec, Pilsen, Klattan, Taus,
Neuhaus u. s. f. an. So hat uns Blahoslav die Hauptpunkte der bis an unsere Zeiten sich
mehr oder minder erhaltenen Dialecte angedeutet.
Diesem Beispiel folgten auch seine Nachfolger, als V. Benedict! von Nndozer,
I. P. Drachonsky, I. Konstant, V. Rosa u. A.; sie haben in ihren Grammatiken
und Orthographien ein interessantes Material niedergelegt.
Größere Verdienste erwarben sich in dieser Hinsicht I. Dobrovsky und
P. I. S asarik. Mit dem ihnen eigenthümlichen Scharfsinn erblickten beide in den Dialecten
eine unerschöpfliche Quelle für das Sprachstudium und mit vollem Recht behandelten sie
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch