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der schlicht-bescheidene Taktschlag ländlicher Drescher! Das sind die lebensvollen starken
Gegensätze der bewegten Übergangszeit dieser Gegenden! Näher nach Rumburg zu, der
geschätzten Stätte der Leinenhandweberei, werden die Blockhäuschen mit den darin rastlos
pochenden und klatschenden Handwebstühlen immer häufiger. Der Sinn für Sauberkeit
und Nettigkeit auch betreffs des Äußeren der Wohnstätten und die Neigung und Begabung
zum Malerischen wächst, je mehr man nach Norden und Nordosten fortschreitet. Bethätigt
der Deutsche in West- und Nordwestböhmen mehr Vorliebe und Talent für Gesang, Musik,
Volksdichtung u. f. w. und bringt hervorragende Sänger- und Musiker hervor, so ist der
Nord- und Ost-Deutsche Böhmens mit entschiedener Anlage dem Malerischen zugethan und
stellte bereits manchen tüchtigen Maler und Bildner in die Reihen der Künstlerschaft. Das
hervorstechende bildnerische und malerische Talent zeigt sich nicht blos in der äußeren
farbigen Ausschmückung der Wohnstätten, sondern auch in dem bemerkenswerthen Kunstsinn,
der in den Heiligenbildern, Statuen, Grabsteinen u. s. w. insbesondere in Warnsdorf
zu Tage kommt. Weiter östlich, im Riesengebirge, nimmt dieser Sinn für das Malerische
noch zu. Die sonst einfachen Holzblockhäuschen und Bauden in den Thälern der Ober-Elbe
und Aupa sind häufig durch zwei bis vier Farben ungemein gefällig und zierlich-malerisch
herausgeputzt, ja ein Kleinhaus zwischen Hohenelbe und Harta ist sogar mit volksthümlicher
schlichter Handmalerei an der Außenseite geschmückt. Erwähnt sei auch die Sitte der Haus-
sprüche. An einzelnen Häusern zwischen Hohenelbe und Spindelmühle finden sich auf Tafeln
an der Vorderwand unter anderen folgende Haussprüche: „Wenn Haß und Neid brennten
wie das Feuer, So wären die Kohlen nicht halb so theuer"; „Das ist das Beste auf der
Welt, daß Tod und Teufel nimmt kein Geld, sonst müßt manch' armer Geselle für den
Reichen in die Hölle"; „Furchtbar rächen sich Lügen auf Erden, wenn sie zur schrecklichen
Wahrheit werden." Die Wohnstättenanlage, die bei Georgsthal und Kreibitz gegen das
innere Land zu sich wieder mehr den Gruppen- und Haufendörfern und vom Blockbau
dem Fachwerk- und Steinbau zuwendet, geht in den Riefengebirgsgebieten abermals zu
den Längendörfern und Einschichtbauden über, die sich kilometerweit in den Thaluugeu
hinziehen oder in losen Siedelungen über die Berghänge und an den Waldgeländen weithin
verstreut liegen. Der einfache Blockbau der Grenzgebiete Nord- und Ostböhmens erstreckt
seine Herrschaft auch bis in den Jefchken-Jsergau, wo der einfache Unterstock mit ziemlich
steiler, tief herabreichender Dachung in älterer Zeit maßgebend war. In den reicheren
Städten, in Trautenan, in Hohenelbe und Reichenberg erhob sich dieser Blockbau, zum
Theil in Vermischung mit dem Riegelwandbau, bis zu mehrstöckigen, in schönen Verhält-
nissen ausgeführten malerischen Giebelhäusern mit zierlichen Holzsäulen-Lauben, wie deren
heute noch in einzelnen interessanten Überbleibseln in den genannten Städten erhalten und
bewohnt sind. Dem Typus des meist stattlichen Bauernhauses und Hofes fränkischer Anlage
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch