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das Obsiegen des Sommers. Im Erzgebirge und Komotauer Flachlande bis hin an die
Mittel-Eger gingen die „Sommer- und Wintersänger" durch die Dörfer und Städte, der eine
als „Winter", der andere als „Sommer" gekleidet, um in charakteristischen Wechselreden und
Liedern den Naturkampf dramatisch darzustellen. Andere trugen „Särgleiu und Schlange"
(den im Sarge gefangenen Winter und Tod!) umher. Der allgemeinste Brauch dieser
Art, der sich über das ganze Land erstreckt, ist das „Todaustragen" vor oder nach dem
sogenannten Todteusonntag. Die von Knaben oder Burschen auf Stangen in die Fluren
getragene Strohpuppe (auch die Mädchen tragen ihre „Tödin" aus), die zum Schluß
unter Singen und Jubeln verbrannt oder ins Wasser geworfen wird, bedeutet ebenfalls
den sterbenden Winter, und der ganze Brauch ist somit eine Vorfeier des Frühlings- und
Osterfestes. Ein Schritt weiter zur Frühlingsfeier ist das „Sommerdockengehen" (im
Eger- und Elbe-Unterlande), im Riesengebirge „Sommergehen" genannt. Junge Mädchen
ziehen mit einer schöngeschmückten, in einem Tannenzweig befestigten Puppe („Docke") in
die Häuser und sagen und singen den Sommer an.
Das Osterfest selbst, das durch alle diese Vorläufer einbegleitet wird, hat als das
zweitwichtigste Natur- und Kirchenjahresfest ebenfalls zahlreiche allgemeine und besondere
Gebräuche aufzuweisen. Am Gründonnerstag Morgens vor dem Frühmahl betet der
Bauer im Saazer Gebiete in Garten und Feld, damit die Frühjahrssaat gedeihe (Saat-
segen). In Ostböhmen (Reichenberg) wird vor Sonnenaufgang ein Brotbissen mit Honig
in den Brunnen und in die junge Saat geworfen (Befriedigungs- und Geisterbannopfer).
Im Leipagan reicht man den Hunden ein Stück Honigsemmel, um sie gegen die Tollwuth
zu sichern. Im Reichenberger Landgebiete, auch an der sächsischen Grenze und anderen
Orten, wird am Gründonnerstag bereits das Maisahrtliedchen mit dem Spruch: „Mai,
lieber Mai, bescher' uns Käs und Ei" vorausgesungen und das „Grüudonnerstaggehen"
zu einer Art Maigang gemacht. Am lebensvollsten gestaltete sich diese Sitte seit längeren:
im „Braunauer Läudcheu", wo am Gründonnerstag eine allgemeine Wanderung der
Jugend zu Fuß und zu Wagen zu ihren meist über das ganze Gebiet zerstreuten Pathen
stattfindet und zu einem förmlichen Volksfest wird. Am Charsreitag fanden an manchen
Orten, wie in Zwickau, eigene Charfreitagfpiele statt. Am Charsamstag Morgens ist
in den Komotauer, Saazer, Kaaduer, Leipaer und anderen Bezirken das Waschen im
fließenden Wasser üblich, das zur Schönheit und gegen Krankheit hilft. Am Abend des
Tages holen die Mägde an der Mittel-Eger und im Anbachthal junge Korufaat, die
grüne „Ostersaat", um sie am frühen Ostermorgen allen Hausgenossen im Bett über-
znstrenen und auch die Rosse und Rinder damit zu füttern, der erste frische Frühlingsgruß
der neuerwachenden Natur! Die Bauern unternehmen nach Mitternacht bis vor Sonnen-
aufgang den „Osterritt" in ihre Fluren, damit Alles gedeihe; bei Sonnenaufgang können
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch