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die ganze Nacht, kräftige Raufhändel würzen ab und zu die laute Festfreude, und erst
früh Morgens lassen sich die Letzten von den Spielleuten „heimgeigen" und „heimblasen".
Der Kirchweihmontag wird, wie dies besonders an der Mittel-Eger Sitte ist, aber-
mals dem Kirchenbesuch und vor Allem dem Besuch — der Todten auf dem Friedhof
(nächst der Kirche) gewidmet. Dieser Brauch ist so recht charakteristisch für die deutsche
Volksart in Böhmen und tief im Wesen des Volkes begründet, das zuweilen wie die
Kindesnatur rasch zwischen den Hauptgegensätzen zu wechseln pflegt und auch mit dieser
Sitte voll tiefer Treue den uraltdeutschen Brauch noch immer fortsetzt, bei allen größeren
Festen auch der abgeschiedenen Seelen, der „Geister der Verstorbenen" zu gedenken,
theils in liebevoller treuer Erinnerung, theils aus frommer Scheu mit der Absicht, die
Seelen der Todten, die nicht mehr am Feste leiblich theilnehmen können, zu ehren und zu
befriedigen. Und so kommt es vor, daß dieselben Musikanten, Bursche und Mädchen, die
Sonntags von der Kirche in die Tanzstube zogen, am Kirchweihmontag im bunten
Tanzanzug von der Schenke wieder zur Kirche und zum Friedhof wandern, um auf den
Gräbern der Verstorbenen leidergriffen und andächtig zn beten.
Die öffentlichen Volkslustbarkeiten, die früher am Kirchweihmontag Nachmittags
stattfanden, das Aufführen eines komischen Hochzeitszuges insbesondere mit der sogenannten
„alten Braut", der „Hahnenschlag" (der wieder an das altgermanische Hahnenopfer
mahnt!), das „Katzenwerfen" und Ähnliches sind bereits seit längerem im Aussterben
begriffen. Im Elbegebiete (Niederland) war auch das sogenannte „Bockstürzen" üblich,
ein aus dem slavischen Grenzgebiete herübergenommenes Spiel, das einst auch, und zwar
am 25. Juli in Reichenberg stattfand und als Überrest der alten Glaubenskämpfe (Heiden-
stürzen) betrachtet wird. Zum Schluß sei noch das „Kirmeßgossotnen" erwähnt, das
an der Mittel-Eger, insbesondere im Kaadner Stadtgebiete am Kirchweihdienstag in
Übung war und darin bestand, daß Kameradschaften mit und ohne Musik mit dem
Hauswurst und dem „alten Weib, das den Mann im Korbe trägt", die Gassen durch-
schwärmten, allerlei Schabernack trieben und schließlich die erhaltene oder eroberte Beute
im Tanzsaal verzehrten.
Eine besondere Entwicklung und Ausbildung haben auch die eigentlichen land wirth-
schaftlichen Gebräuche in Deutschböhmen erfahren, das ja dem Bauernthum seit jeher
in weiten Gebieten so fruchtbare Grundlagen bot. Wie im Innern des Familienlebens so
übt der deutsche Bauer Böhmens auch bei allen wichtigeren landwirthschastlichen Arbeiten
und Vorkommnissen in meist sinniger und poetischer Weise gern der Väter uralten Brauch.
Bei der ersten Pflugausfahrt im Frühling wird ein Ei (Zeichen des Lebens, der Frucht-
barkeit) und ein Stück Brot unter die Pflugachse gelegt (Ober-Egergebiet) und der
Ackerknecht bei der Heimkunft mit Wasser begossen, damit der fruchtbare Regen nicht
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch