Seite - 589 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (1), Band 14
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wird ein Bote abgesendet, um die Dorfglocke das Absterben verkünden zu lassen. Der
Todte wird gewaschen und im Leinwandhemde auf ein passend langes, glatt gehobeltes
Brett (Tondnbröd) gelegt und mit einem großen feinen Leinwandtnche überbreitet. Neben
dem Kopf des Abgeschiedenen, anf einen Stuhl wird ein Öllämpchen gestellt und ein Glas
Weihwasser, worein man sechs bis sieben zusammengebundene Kornähren taucht. Während
die Dorfglocke den Tod verkündet, wird das Stroh, welches die Tiefe des Bettgestells
des Verstorbenen ausfüllte, unweit des Wohnhauses verbrannt. Wer die Glocke hört oder
das Fener sieht, betet für die abgeschiedene Seele. Nach und nach kommt man, die Leiche
zu sehen. Man nähert sich derselben, ergreift die in das Weihwasser getauchten Kornähren,
besprengt damit vom Kopf bis zu den Füßen das überbreitete Leichentuch, kniet dann
nieder, um einige Augenblicke zu beten, und schlägt nun erst das Tuch bis an die Brust
des Todten herab. Die jugendlichen Leichen werden mit Blumen und Heiligenbildern, so
weit nur Platz dazu ist, überdeckt; die älteren halten nur ein kleines Crucifix in den über
der Brust gefalteten Händen. Im Namen weiblicher Leichen werden die ärmsten Weiber in
der Gegend umhergeschickt, den Tod uud Tag desLeicheubegäuguisses anzusagen; im Namen
männlicher Leichen verrichten dies Amt die ärmsten Greise; die Todesboten erhalten
überall die reichlichsten Geschenke. Die Tage nnd Nächte, welche der Verstorbene im Hause
liegt, kommen abwechselnd Bewohner des Dorfes, um bei der Leiche zu wacheu oder Trost
zu sprechen, helfen Kränze flechten oder sonst Nöthiges zu besorgen. Eine Hauptaufgabe
ist, die betrübten Angehörigen zu trösten, daher auch mitunter recht heitere Geschichten
erzählt und Scherze getrieben werden.
Der Zulauf zu den Begräbnissen ist wie überall, so auch im Böhmerwalde sehr stark.
Die Särge werden nach der Kirche und nach dem Friedhofe zumeist getragen, trotzdem die
Entfernungen oft sehr groß sind; bei Unverheirateten bilden ledige Bnrschen die freiwilligen
Träger, bei verheirateten oder verwitweten Abgeschiedenen leisten kräftige Männer diesen
letzten Dienst. Reichere Hofbesitzer, die Pferde und Wageu hinterlassen, werden, wenn
der Weg nach Kirche und Friedhof sehr weit ist, gefahren; in solchem Falle ist auch das
Erscheinen mehrerer Geistlichen und die Entfaltung größerer Begräbnißfeierlichkeit üblich.
Zum Zeichen des Angedenkens an die Verewigten wird im Böhmerwalde das
Todtenbret ersehen, auf dem die Todten von der Stunde des Ablebens bis zur Ein-
bettung in den Sarg geruht hatten. Die Ärmeren lassen in das Bret nur drei Kreuze
einschneiden und legen das Bret einfach rechts oder links neben Wiesen- und Feldwege.
„Betet für ihre arme Seele", lautet der einfache Text des Brettes. Andere und Wohl-
habendere lassen dem Todtenbret gefälligere Formen und bessere, oft auch sehr naive
Inschriften geben, besonders Eifervolle zum Angedenken an ihre lieben Abgeschiedenen die
Todtenbretter sogar bemalen. Ein Todtenkopf mit drei darunter gemalten Kreuzen nnd
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch