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daran kehrten; wollte man ihnen aber näher kommen, so erhoben sie ein Geschrei, rafften
tnmultnarisch ihre Fetzen und Windeln zusammen, rauschteil unter das Wasser uud ver-
schwanden. Ein Banernbnrsch, sonst ein findiger Vogel- uud Taubenfänger, richtete einmal
auch eine Falle im Gesträuch am Bach auf — und wirklich ging ihm ein Waschweiberl
in die Falle. Es hatte ein weißes reinliches Leinwandkleidchen an, das bis an die halbe
Wade reichte und die Haare hingen aufgelöst über Schultern und Nacken hinab. Ohne
Sträuben ließ sich das Weibchen nach dem nächsten Bauernhof tragen und sah sich da frisch
mit schwarzen Äuglein um. Kaum in die Stube gebracht, streifte das Weiberl die Hemd
ärmelcheu zurück, schürzte das Kleidchen auf und begann zum Verwundern uud Ergötzeu
der Hansbewohner geschäftig aufzuräumen, Geschirr zu waschen, auf die Wandbänke
steigend die Fenster zu reinigen, kurz, es war ruhelos vom Morgen bis Abend, ohne sich
im geringsten was schaffen oder dreinreden zu lassen. Während der Abenddämmerung
kam dann das Wassermännlein, klammerte sich draußeu an die Wand und sprach zum
Fenster hinein, das Waschweiberl klammerte sich von innen an die Wand uud sprach
hinaus, und da thaten sie vertraulich uud er trug ihr auf, nichts von ihren Geheimnissen
auszuplaudern. Als der Winter nahte, dachten die Hanslente daran, das Waschweiberl
mit Schuhen zu verseheu, aber es reichte die Füßchen nicht dar, um ein Maß nehmen zu
lassen; man streute daher Mehl auf den Boden der Stube uud uahm das Maß uach den
Fußstapfen des Weibchens. Die Schuhe waren fertig und man stellte sie dem Weibchen ans
die Bank, damit es sich derselben bediene. Aber das Waschweiberl fing an zu weinen uud
zu schluchze», weil man seine Bemühungen belohnen wolle, streifte die Hemdärmelchen
wieder vor, entschürzte das Kleidchen und stürzte lantklagend davon uud wurde nicht
wieder gesehen.
Aberglauben. Wenn drei Tage uud Nächte hintereinander ein Sturmwind bläst,
muß sich Jemand in der Gegend erhenkt haben. — Das Krähen einer Henne weckt das
größte Unglück eines Hauses, daher einer solchen sogleich der Kopf abgehackt wird. — Man
glaubt an einen „Stearvogel" (Sterbevogel); er soll stets während der Abenddämmerung
vor dein Hanse eines schwer Erkrankten erscheinen und durch einige Trauertöue den bevor-
stehenden Tod des Erkrankten ankündigen. — Bisweilen hört man nachts ein gedämpftes
ergreifendes Weinen im Hause; die entsetzte« Einwohner horchen anf nnd glauben fest, es sei
ein verstorbenes Familienmitglied, das ein Unglück klagend ankündigt. Man nennt es „Das
Klagmütterl" ('s Klomuaderl geiht um). — Weuu eine Elster lebhaft um eiu Haus fliegt
uud ruft, bedeutet es die Meldung, daß ein Bekannter oder Verwandter bald heimkehren
werde. — Wer auf seinem Felde zwischen dem Getreide einen Bifang brach liegen läßt oder
mit Klee bebaut, verliert in demselben Jahre noch ein Familienmitglied durch deu Tod.
Man neunt den Fall ,,D' Jutasot" (Zwischeusaat). — Ein gewisser Zauber, ausgeübt über
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch