Seite - 615 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (1), Band 14
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„Ba mein Diarnei ihr'n Fensta
Scheint neamals kaa' Snnn,
Geht käa' Landsträßn vüar,
Nea' r a Steiget in d' Kruinm; Äwa drinn in ihr'n Stübei
Js 's so hübsch und so fei',
Daß 's mi' ziemt, i möcht all' bei',
Ja, allabei drinn sei'."
Von Winterberg bis Hartmanitz hat die Mundart neben niederbaierischen Elementen
(ni für en, hr für r im Anlaut) auch schon solche aufgenommen, die das Nordgauische
dies- und jenseits des Waldes vorschiebt; die Mundart dieser Strecke bildet darnach den
Übergang zu letzterem Dialeet. Dort herum begrüßt mau sich zu Neujahr:
Von Hartmanitz ist nicht sehr weit nach Eisenstein; hier tritt uns eine andere
Mundart entgegen, die in einen neuen, den vierten Dialect Deutschböhmens, in das
Nord gauische (Ostfränkische) überführt.
Das Nordganische ist ein breiter, schwerer, vocalreicher und weicher Dialect, der
vor Allem die Dehnung betonter Silben weit über das Maß des Schriftdeutschen hinaus
liebt, aber zum Gegengewicht unbetonte Worte und Silben vernachlässigt und unter-
schlägt. Das u und r des Wortschlusses wird fast immer in einen dumpfen, gleichsam
nur halb gesprochenen vocalischen Laut aufgelöst. Bezeichnend ist die Vertretung aller
alten Längen und Diphthonge durch Zweilaute: an, äi; äi; ei oder öi; on für lange
a und o, ä und e, für alte ei, ie und üe, uo. Durch Wegwerfen des tonlosen e in allen
Bildungssilben gewiuut der Dialect viel schwere Silben (er ist die Sprache des hart
arbeitenden Landmanns) und bewegt sich — im Sinne eines früher gebrauchten
Bildes — mehr im spondäischen Schritt. So singt der Bursche des Egerlandes, wo der
Kern dieses Dialects zu suchen ist, im langgezogenen Tone das Nationallied seiner
Heimat, den „schmol'n Rai"": „Gäih i üwa r an schmol'n Rai"" (vergleiche Seite 555).
Die Egerländer Nkmdart wird vielleicht am häufigsten unter allen anderen deutsch-
böhmischen für volksthümliches Schriftthum verwendet. Am besteil erfaßte Wort und Art
des Egerlandes der Egerer Volksdichter Dr. I. I. Lorenz (1807 bis 1860); in neuerer
Zeit veröffentlichte Clemens Graf Zedtwitz-Liebenstein (1814 geboren) mehrere
Bändchen Gedichte in dieser Mundart.
Im Allgemeinen herrscht diese Form des Dialects nur im oberen Egerthal bis
unter Elbogeu. Südöstlich und südlich davon finden sich Mundarten, die sich durch die
Behandlung der Selbstlaute vor Nasalen und vor verbnndenem r wenig unterscheiden.
„Brüadrl, nuis Gohr, nuis Gohr!
's Christkind! liegt im g'röß'tn Hör.
Longs Löbm, longs Löbm
Und an Beidl vnl Göld danöbm Und an schein Man' danöbm
Und a hrächts Wei danöbm
Und hübsch vül Schläg danöbm
Und all ma' Liab danöbm!"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch