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Die gedruckten Liedersammlungen können wir von dem 1501 erschienenen böhmischen
Gesangbuch der Brüderuuität an verfolgen. Die frühesten verlassen sich bezüglich der
Melodie» auf die mündliche Überlieferung; sie begnügen sich damit, die Weisen durch die
Textanfänge allgemein bekannter geistlicher oder weltlicher Lieder anzudeuten, und nur
ausnahmsweise werden Melodien in Noten wiedergegeben. Ein großer Fortschritt in dieser
Beziehung ist der böhmischen Brüdergemeinde zuzuschreiben. Sie hat überhaupt deu
geistliche» Gesang stets als wichtigen Bestandtheil der Erziehung angesehen und infolge
dessen die Publikationen religiöser Lieder streng überwacht uud kritisirt, hielt es also auch
für ihre Pflicht, für die Bedürfnisse ihrer Gläubige» selbst z» sorge» und dies nicht, wie
die übrigen Eonfessionen, dem Ermessen des Einzelnen zu überlassen. So sind z. B. gerade
im Schooße der Uuität auch die Aufäuge des deutschen geistlichen Liedes in Böhmen zn
suchen: 1531 ließ in Jungbnnzlan Michael Weisse (ein Schlesier ans Neiße, gestorben
1534 in Landskro») das erste deutsche Brüdergesaugbuch (157 Lieder mit »otirten
Melodien) mit Genehmigung des Ältesten der Gemeinde drucken, und die Unität selbst
veranlaßte später weitere Ausgaben desselben. Ein monumentales Unternehmen war
aber das große böhmische Eanzionale (,?isnö clivsl betitelt, 744 Lieder
mit Melodien), dessen Druck 1561 in Samter (Szamotnly in Posen) vollendet wurde.
Zahlreiche Auflagen sowie kleinere Auszüge ohue Melodien folgten nuu rasch nach
einander, darunter wahre Prachtausgaben, wie die Kralitzer von 1576 und 1581. Dem
böhmischen Eanzionale von 1561 stellten sich schon nach fünf Jahren die deutschen
„Kirchengesänge" (mit 456 Liedern) zur Seite, die gleichfalls wiederholt aufgelegt
wurden.
Das größte Verdienst um die Herstellung des großen Samterer Gesangbuches gebührt
wohl Johannes Blahos lav , dem nachherigen Bischof der Unität (gestorben 1571),
der gemeinschaftlich mit Johannes Eerny die Redaction führte. Blahoslav, ein Mährer
von Geburt (aus Prerau), spielt überdies iu der Musikgeschichte der Böhmen auch aus
einem anderen Grunde noch eine Nolle: er ist der erste gewesen, der ein theoretisches Werk
über die Tonkunst in böhmischer Sprache geschrieben hat. Dieses Handbüchlein, das in
übersichtlicher Darstellung das Nothwendigste über das Tonsystem und die Solmisation,
die Kirchentöne, die Mensnralnotenschrift nnd die Taktlehre enthält, erschien 1558 (in
Olmich) unter dem Titel „Musica" uud wurde schon 1569 (in Eibenschütz) znm zweiteu-
male aufgelegt, erweitert durch Regel» für praktische Sänger, zu deren Nutz und Frommen,
soweit sie des Lateiuischeu uicht mächtig wäre», die Schrift ja zunächst verfaßt wordeu,
uud durch eine Abhandlung über Liederdichtnng und Prosodie. Blahoslavs Vorgang war
offenbar anregend; schon 1561 erschien eine zweite Schrist dieser Art iu böhmischer Sprache,
deren sonst unbekannter Verfasser, Johannes Josqn in , ausdrücklich sich auf das durch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch