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öffentlichen künstlerischen Interesses. Allein ihr exotisches Wesen konnte sich doch nicht ganz
verleugnen, nnd lange hat es gewährt, bis sie einen oder den anderen Tonsetzer — von
den außerhalb des Landes wirkenden natürlich abgesehen — in ihre Kreise zu ziehen
vermochte. Um so eifriger uud wirksamer wurde dafür die Kirchen- und die Instrumental-
musik gepflegt.
Während des XVIII. Jahrhunderts gewann allmälig die homophone Schreibweise
das Übergewicht selbst auf dem Gebiete des Kirchengesanges, auf dem bis dahin die Poly-
pionie sich am entschiedensten behauptet hatte. Dieser Vorgang spielte sich natürlich auch
in Böhmen ab, doch treten uns in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch bedeutende
Contrapunktisten entgegen, deren wohlthätiger Einfluß in den folgenden Künstler-
generationen lange nachhält. Ihr vorzüglichster Repräsentant ist ohne Frage der Minorit
Bohuslav Ceruohorsky. Zu Nimbnrg als Sohn eines Organisten 1684 geboren und
in Prag, später auch in Italien musikalisch gebildet, war er eine Zeit lang in Padua' als
Regenschori thätig, kehrte aber nach Prag zurück, um die Leitung der Mnsik im Minoriten-
kloster von St. Jakob zn übernehmen. Hier entfaltete er als Dirigent, Orgelspieler,
Komponist und Lehrer eine vielseitige Thätigkeit, welche ihm den wohlverdienten Rnhm
eines der größten Musiker verschaffte, die das Land überhaupt hervorgebracht. Er starb
am 2. Juli 1742 in Graz auf der Reise nach Italien. Leider bezeugen nur spärliche
Proben seines Schaffens die vollendete Meisterschaft, mit welcher er die contrapnnktischen
Formen beherrschte, denn sein Nachlaß wurde 1754 bei einem Brande des Jakobsklosters
ein Raub der Flammen.
Von den neben Cernohorsky in Prag wirkenden Tonkünstlern muß sein jüngerer
Zeitgenosse Josef Anton Sehling (aus Teising bei Elbogen) genannt werden, der
1756 in seinem 47. Jahre als Domkapellmeister gestorben ist. Unter den Schülern
Cernohorskys aber, die nicht nur selbst dem Meister eine dankbare Erinnerung bewahrten,
sondern mit seinem künstlerischen Erbe auch die eigene Pietät für ihn auf die jüngeren
Generationen übertrugen, finden wir eine Reihe tüchtiger Künstler, deren einige auch
im Ausland zu ehrenvollen Stellungen gelangt sind, wie Tnma und Zach, der wichtigste
aber für die heimische Musik war Josef Ferdinand Norbert Seger (1716 bis 1782),
in Repin bei Melnik geboren, jedoch seit seiner Schulzeit ausschließlich in Prag thätig, wo
er bald als der beste Orgelvirtuos anerkannt wurde uud einen zahlreichen Schülerkreis um
sich versammelte. Dieser Künstlergruppe muß noch Franz W. Habermauu angereiht
werden, obgleich er viele Jahre im Ausland zugebracht hat, zunächst auf Studienreisen,
dann in Diensten des Prinzen Conde und des Großherzogs von Toscana. Seit 1743
' Ob Cernohorsky identisch ist mit jenem Organisten ,I>a6rs Rosmo" zu Assisi, der den berühmten Geiger Tartini
1715 in der Composition und im Accompagncment unterrichtete, ist eine offene Frage.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch