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Übergangs- und Vorbereitungsperiode, namentlich durch den trefflichen Pädagogen uud
fleißigen Schriftsteller Josef Leopold Zvonar (1824 bis 1865) so Manches für die
bessere Erkenntniß uud Würdigung desselben geschehen war. Alles dies stand natürlich im
engsten Zusammenhang mit der ganzen literarischen Bewegung jener Tage, daher auch
der Blick in die Vergangenheit, den schon 1815 Martinovsky's gelehrter Ordensbruder
Got t f r ied Johauu Dlabae (1758 bis 1820) mit seinem „Allgemeinen historischen
Künstlerlexikon für Böhmen, zum Theil auch für Mähren und Schlesien" seiner Nation
eröffnet hatte, eiueu nicht zu unterschätzenden nachhaltigen Einfluß auf die böhmischen
Tonkünstler ausübte. War doch Dlabae selbst nicht blos als einer der ältesten Vorkämpfer
für böhmische Sprache und Literatur, sondern auch als praktischer Musiker (langjähriger
Regenschori des Strahover Stiftes) angesehen, und sein mit Unterstützung der böhmischen
Stände herausgegebenes „Künstlerlexikon" ist in der That ein auf der emsigsten Quellen-
arbeit beruhendes monumentales Werk, das auch heute noch dem Fachmann die besten
Dienste leistet.
Die beiden Elemente aber, deren Durchdringung das Entstehen einer böhmischen
Musik als nationaler Kunst bedingte, lagen in den Vierziger- und Fünfziger-Jahren
noch gänzlich auseinander. Die hervorragenderen unter den tonangebenden Musikern
kennzeichnete zwar einerseits ein gewisser moderner fortschrittsfreundlicher Zug, während sie
sich andererseits mächtig hingezogen fühlten zu dem Volksliede, von dessen großer Beden-
timg für die künftige böhmische Musik sie fest überzeugt waren; doch wurden die Volks-
weisen entweder in ihrer ganzen Schlichtheit mit mehr oder weniger Glück einfach uur
nachgeahmt oder man benützte die Originale zu Transscriptionen, Potpourris, Variationen,
man harmouisirte sie für den Chorgesang — und damit war die Sache abgethan. Den
wahren Geist derselben, ihren tiefinnersten musikalischen Charakter zu erfassen und auch in
den höchsten Kunstsormen organisch zu voller Geltung zu bringen, also das Volkstümliche
zum Nationalen zu erheben, vermochte man noch nicht. Zur Bewältigung dieser großen
Aufgabe mangelte es vorläufig nicht nur an dem geeigneten schaffenden Künstler, es fehlten
auch so manche unerläßliche äußere Bedingungen des Gelingens. Diese letzteren erfüllten
sich erst im Anfang der Sechziger-Jahre, glücklicherweise sozusagen in demselben Augenblick,
in welchem der berufene Mann in der vollen Reife seiner Knust den Schauplatz betrat.
Zunächst wurden alle Culturbestrebuugen des böhmischen Volkes in erfreulicher
Weise belebt durch den Beginn des verfassungsmäßigen Lebens nach dem 20. Oetober
1860: das sich frisch entfaltende Vereinswesen fand eifrige Unterstützung in der auf-
strebeuden Tagespresse, ja die künstlerischen Interessen durften nun auf werkthätige
Förderung selbst von Seite der politischen Factoren rechnen. Der erste Schritt auf der
neuen Bahu war die 1861 erfolgte Grüudung des Bereits 1859 war ein
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch