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im Laufe der Jahre vor Allem durch seine mannigfaltigen oft geradezu gediegenen Concert-
unternehmungen : Orchesterauffi'ihruligeu, C.or>certs spiritusls, Kammermusikproductioneu,
historische und populäre Concerte, nicht nur selbst das Prager Musikleben belebte, sondern
anch andere Factoren nach den verschiedensten Richtungen hin anregte.
Es konnte allerdings nicht ausbleiben, daß die Trennung der beiden Landestheater,
die eine Verdoppelung des bisherigen Einen Institutes bedeutete, sowie die sprachliche
Spaltung mancher kunstpflegender Vereine im ersten Augenblick als eine Zersplitterung
der Kräfte, daher auch als Schwächung der künstlerischen Interessen sich darstellte uud
bei so manchem ernsten Musikfreunde nicht geringe Bedenken erregte. Allein es war eine
unvermeidliche Übergangskrisis, die überwunden werden mußte. Eiue heilsame, alle Kräfte
anspauueude Coucurreuz führte bald zur Belebung und Steigerung des Prager Musik-
lebens und zu seiner Bereicherung durch neue Elemeute. Daß dies in erster Linie der
böhmischen Nation zu Gute kam, deren Kunstinteressen sich in Prag concentriren, liegt
in der Natur der ethuographischeu Verhältnisse Böhmens und seiner Hauptstadt; doch
haben wohl auch die deutscheu Kunstinteressen mit der Zeit aus jeuer Trennung und der
daraus folgenden nationalen Verselbständigung mehr Vortheil gezogen als Schaden
erlitten. Das deutsche Concertwesen — von den gemeinsamen nentraleu Instituten und
Unternehmungen natürlich ganz abgesehen — hat im Vergleich mit dem Beginn der
Sechziger-Jahre einen entschiedenen Fortschritt zn verzeichnen: zu dem Männergesang-
verein hat sich, um nur die namhafteren Factoren zu ueuueu, die „Liedertafel deutscher
Studenten", der (aus dem ursprünglich utraquistischeu St. Veitsverein hervorgegangene)
gemischte Chor des „Singvereins" gesellt und schließlich gehört auch der blühende
Kammermusikverein hierher, der uach außen zwar den Utraquismus wahrt, aber nach
innen doch überwiegend deutsch ist. Für die deutsche Oper ist die Coucurreuz der beiden
Landestheater wiederholt ebenso zum wohlthätigen Sporn geworden wie der böhmischen,
uud wenn auch der mächtige, fördernde Einfluß, welchen die letztere auf das Schaffen der
einheimischen Tonkünstler seit drei Jahrzehnten übt, kein entsprechendes Gegenstück in der
Wirksamkeit des deutschen Schwesterinstitutes findet, so kann dieses doch mit Genugthuung
auf die Vorführung der spätere» Werke Richard Wagners — der „Meistersinger" (1871),
des „Nibelungenringes" (1885 bis 1887) und des „Tristan" (1887) — hinweisen als
auf eine für das ganze musikalische Prag hochbedeutende und denkwürdige, daher unter
allen Umständen verdienstvolle künstlerische That.
Die neue Situation zu Beginn der Sechziger-Jahre mit ihrem augenblicklichen
Thatendrang uud ihrer Sangeslust, aber auch in ihrer ganzen weittragenden Bedentuug
für die weiteren nationalen Knnftbestrebuugeu der Böhmen mit genialem Blick richtig
erkauut und — uoch mehr — sie sogleich in jeder Richtung erfolgreich ausgenützt zu haben.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch