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dem später einige weitere folgten, eigentlich das erste Zeichen der neuen Strömung, in
welche Smetana nach seiner Rückkehr aus Schweden gerathen war. Die gleichzeitig
entstandene Oper »Li-anidoti v Üeekiiek- erscheint aber geradezu als die Synthese aller
bisher getrennten Elemente seiner künstlerischen Thätigkeit und Individualität. Der
Schüler Liszts konnte nicht anders als ein Anhänger Richard Wagners sein, der böhmische
Musiker aber, der die Lieder seines Volkes im Herzen trug und auch bereits die Polka
künstlerisch zu idealisireu wußte, vermochte selbst das Operuorchester mit nationalem
Geiste zu durchdringen und namentlich Chören und Tänzen ein packendes volksthümliches
Colorit zu verleihen. Die .Lrambvii" sind weit entfernt, das Ziel zu bedeuten, welches
Smetana sich gesteckt hat, sie sind vielmehr der Ausgangspunkt seines operistischen
Schaffens gewesen, aber die Partitur derselben, welche nicht einen Anfänger, sondern
einen selbstbewußten, alle Kunstmittel beherrschenden Meister verrieth, enthielt doch
bereits die wesentlichen Keime aller seiner nachfolgenden dramatischen Werke. Zunächst
kam das volksthümliche Element zur vollsten Geltung in der wenige Monate nach den
„Lraniborl" gegebenen ,?io6anä nevesta" (Die verkaufte Braut). Die Absicht des
Componisten, auf de» anspruchslosen Text Sabina's eine Operette leichteren Stils zu
schreiben, schlug fehl: es entstand eine köstlich frische und muntere komische Oper von
üppiger musikalischer Erfindung und ausgeprägter nationaler Eigenart — allerdings
mit gesprochenem Dialog, der nach Jahren erst durch Recitative ersetzt wurde — und
man kann wohl sagen: es entstand das populärste Werk der modernen böhmischen
KAnst überhaupt. Bereits weit über 200 Aufführungen hat die ,?i0<Zkmä nevösta," nur
auf der Prager böhmischen Bühne aufzuweisen. Doch gerade dieser Erfolg sollte dem
Meister bald verhängnißvoll werden: seine nächste Oper.Oalikoi-" (1868), ein Werk
von tragisch-eruster Stimmung, wurde mit dem Maßstabe der „k'rockanä nevesta"
gemessen und als Abfall von der durch Smetaua selbst geschaffenen nationalen Musik
zum „Wagnerianismns" vernrtheilt! Angesichts dieses an .valibor« verübten Unrechtes
wurde von Seiten der Freunde Smetana's vergeblich darauf hingewiesen, die Oper sei
einerseits böhmischer, andererseits aber (etwa abgesehen von einer wirksameren, durch-
greifenderen Ausnützung der Leitmotive) um nichts wagnerischer, als es die mit
allgemeiner Begeisterung aufgenommenen .Lranidoti« gewesen: erst nach achtzehn Jahren,
als der Schöpfer des .valibor" schon todt war, löste ein glänzender Erfolg im National-
theater den Bann.
Im Stil seiner ersten Opern hatte Smetana Concessionen an den herrschenden
Geschmack gemacht, um durch stufenweise Zurücknahme derselben in den nachfolgenden
Werken das Publikum allmälig auf seinen eigenen idealen Standpunkt zu heben.
Der Fortschritt, den er in diesem Sinne mit der 1872 vollendeten gethan,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch