Seite - 50 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 50 -
Text der Seite - 50 -
50
konnte um so entschiedener sein, als sie von vornherein zum Festspiel bestimmt war,
also von allen Repertoirerücksichten frei bleiben durfte. In der That ging »Indusa* bei der
Eröffnung des Nationaltheaters am 11. Juni 1881 in Gegenwart Seiner kaiserlichen
Hoheit weiland Kronprinz Rudolf zum erstenmal in Scene. Auch dieses Werk von edler
Haltung und feierlicher Stimmung wollte zwar Smetana nicht als sein letztes Wort
betrachtet wissen, aber soweit es ihm der Text erlaubte, schritt er, unbeschadet der specifisch
böhmischen Art seiner Musik, im Stil doch vielfach weiter über „Lohengrin" hinaus, als
andere Componisten zu Beginn der Siebziger-Jahre zu wagen pflegten. Zwischen die
Vollendung und die Ausführung der ,1,iduZa" fallen die drei komischen Opern „vvö
vclov^" (Zwei Witwen, 1874), „Hudieka" (Der Kuß, 1876) uud ,1'^emstvi" (Das
Geheimuiß, 1878). Die erste lehnt sich in ihrem feinen Converfationston an die französische
Spieloper an, erhielt jedoch später ebenfalls Recitative statt des gesprochenen Dialogs,
die beiden anderen dnrchcomponirten bedeuten aber einen unverkennbaren Fortschritt
auf dem Wege zum Musikdrama komischer Richtung, doch unter vollkommener Wahrung
des in der „?rväariä nevesta- gewonnenen nationalen Wesens. So ist denn auch nächst
dieser letzteren unstreitig „Hubieka" — deren reizender Gemüthsfrische es niemand
anhört, daß der Meister, als er sie schuf, bereits vollkommen taub war — wohl das
populärste Bühnenwerk Smetanas; als seine höchste Leistung in der komischen Oper
muß aber „Ikrjemstvi", namentlich seines groß angelegten und prächtig allsgeführten ersten
Actes halber bezeichnet werden. Übrigens ist anch die Musik zu der 1882 ausgeführten
komischen Zauberoper »6ertvvü stsna" (Die Teufelsmauer) ein des Meisters durchaus
würdiges Werk.
Wenn sich Smetana in seinem dramatischen Schaffen nicht selten durch Rücksichten
ans die Theaterverhältnisse oder durch Schwächen seiner Texte beengt und beschränkt fühlen
mußte, so bewegte er sich um so freier, um so rücksichtsloser auf instrumentalen: Gebiete.
Aber erst nach einer mehr als dreizehnjährigen Pause (seit „Hakou Jarl") begann er —
von Gelegenheitscompositionen, wie zum Beispiel einem schwungvollen Festmarsch
zur Shakespeare-Feier, abgesehen — sich wieder mit Orchesterwerken großen Stils
zu befassen und schuf 1874 bis 1879 in dem „Uä vlast" (Mein Vaterland) betitelten
Cyklns von sechs symphonischen Dichtungen ein Meisterwerk von ausgeprägtem individuellen
und nationalen Charakter, das allein genügen würde, ihm einen Ehrenplatz unter
den ersten Tondichtern unserer Zeit zu sichern. Die vollendete Form, die farbenreiche
musikalische Charakteristik, die mächtige Steigerung und der harmonische Abschluß des
Ganzen zeigt uns den Genius Smetauas auf der Höhe seiner Kunst. Das einleitende
Stück, ist gleichsam der Gesang des begeisterten Rhapsoden, der den alten
Fürstensitz in seinem vollen Glänze von Sage uud Geschichte der Phantasie vorzaubert;
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch