Seite - 55 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 55 -
Text der Seite - 55 -
55
dieses Meisters in der Instrumentalmusik zu suchen. Dvorak ist eben ein absoluter
Musiker, dessen geniale Phantasie ihre schönsten Gaben dort bietet, wo sie sich vollkommen
frei weiß von Rücksichten auf das dichterische Wort und einzig aus den überquellenden
Tiefen ihrer eigenen Tonwelt schöpfen darf. Daher die unverwüstliche Lebendigkeit und
Beweglichkeit des Rhythmus und der natürliche, stets ungezwungene Fluß der Melodie;
dazu kommt als willkommene Frucht langjähriger Übung und Erfahrung eine spielende
Beherrschung des üppigen Stimmengewebes und eine anziehende Harmonie. Ein
Künstler dieser Art spricht sich allerdings am unmittelbarsten in der intimen Sphäre der
Kammermusik aus; unter den zahlreichen Werken dieser Gruppe sind namentlich mehrere
Streichquartette, sowie ein Sextett hervorzuheben, an die sich, gewissermaßen als Über-
gang zu den Orchestercompositionen, vor Allem zwei Serenaden schließen, die eine für
Streichorchester, die andere für Blasinstrumente. Als Symphoniker kann sich überdies
Dvorak — von dessen seit den Siebziger-Jahren geschaffenen Symphonien vier (k'- äur,
v-clur, v-inoll und lZ-äur) auch jenseits der Grenzen Böhmens sich Geltung zu verschaffen
gewußt haben — eines Vorzugs rühmen, der heutzutage bei absoluten Musikern selbst
von bedeutendem Rang nicht immer angetroffen wird: einer blühenden, der besten
Wirkung stets sicheren Instrumentation. Die Meister, deren Stil vorwiegend das Schaffen
Dvoräks bestimmt, sind wohl Beethoven, Schubert und Brahms, doch hat ihn einmal
auch das Beispiel Liszts angeregt zu drei „Slavischen Rhapsodien". Noch möge
der Ouvertüren gedacht werden; zu den zwei allbekannten, der „kZusilsks.« (in welcher
nebst dem Wenzelsliede der Schlachtgesang der Husiteu verwerthet ist) und „Mein
Heim" (eigentlich ein zu Samberks Volksstück »5c>s. Xaj. 1^1* geschriebenes Vorspiel,
dessen thematisches Materiale der Melodie des von Tyl gedichteten Liedes „Käs äomov
inH?« entnommen ist) haben sich nenestens drei weitere gesellt: „Natur" (Mainacht),
„Leben" (Böhmischer Carneval) und „Liebe" (Othello).
Das nationale Element, das in den meisten Compositionen Dvoräks hervortritt, ist
nicht immer ein specifisch böhmisches wie bei Smetana, sondern spricht oft auch die
musikalische Eigenart anderer Slavenstämme aus, daher z. B. die vierhändigen Clavier-
compofitionen, deren lebensfreudige Verve (1878) den Namen Dvoräks eigentlich in die
Welt gebracht und populär gemacht hat, ganz richtig als „Slavische Tänze" bezeichnet
sind, wenn auch selbstverständlich böhmische Weisen und Rhythmen darin vorherrschen.
Unter den Werken aber, welche der Künstler sonst noch für das ihm übrigens ferner
liegende Elavier geschrieben hat — auch ein Concert ist darunter, der Pendant zu einem
etwas älteren Violinconcert, sowie ein Ihrer kaiserlichen und königlichen Hoheit der Kron-
prinzessin Stephanie gewidmeter Cyklus „Aus dem Böhmerwald" — dürften wohl die
„Legenden" vermöge ihrer vornehmen Innigkeit die erste Stelle einnehmen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch