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Entfaltung einer die Bahnen des entschiedensten Fortschritts wandelnden musikalischen
Individualität zu gelangen. Dieser Übergang hat sich eigentlich schon während der drei
Jahre vollzogen, welche die gleich nach Abschluß der Lehrjahre eompouirte bereits er-
wähnte Oper ,Lukc>vin" brauchte, bevor es ihr beschieden war, auf die Bühne zu kommen.
Der Einfluß Schumann's herrscht noch in den bis 1872 geschaffenen Werken
— namentlich mehreren Onverturen nnd Kammercompositionen, einer ganzen Menge zum
guten Theil noch gar nicht veröffentlichter fein empfundener Lieder sowie einer größeren
Chorballade „Windsbraut" — vor; aber schon im darauffolgenden Jahre glückte dem
jungen Künstler nicht nur der erste Schritt in den Bereich der symphonischen Dichtung mit
seinem „Othello", sondern auch der zweite, bedeutungsvollere mit slavcy a
1>u<Zök« als dem ersten derartigen Werke von nationalem Colorit, welchem bald eine
weitere, g, lesui punna" (Tomau und die Waldfee) folgte, so daß er hierin den
übrigen böhmischen Componisten, selbst Smetana nicht ausgenommen, ebenso zuvorkam,
wie in der Kammermusik durch ein etwa um dieselbe Zeit entstandenes bemerkenswerthes
Streichquartett <A-vur), in dessen Scherzo (als Trio) zum erstenmale die heimische Polka
verwerthet wird. So schritt denn Fibich in der von Smetana gewiesenen Richtung rüstig
fort, schlug aber mitunter anch eigene Wege ein, um zu demselbeu Ziele zu gelangen. Der
Schöpfer der ,?roäanü iievösta« erscheint innerhalb der Kunstmusik als der bahnbrechende
Vertreter jenes naiven, bald heiter kecken, bald sinnig elegischen Geistes, wie er sich in den
Weisen der böhmischen Volkslyrik kundgibt, und Dvorak folgte ihm hierin mit Glück;
Fibich aber gelang es, zuerst 1874 iu dem ergreifenden Melodram »Ltöäry äsn« (der
Weihnachtsabend) nnd später ähnlich in ,Vöör>ost" (die Ewigkeit) und »Voänitc" (der
Wassernix) aus voller Gemüthstiefe jenen specifischen volksthümlichen Balladenton anzu-
schlagen, der uus auf poetischem Gebiete aus K. I. Erben's .Kylies« (welcher Sammlung
auch das erste und das letzte der eben genannteil drei Melodramen entnommen ist),
entgegenweht. Als die reifste, werthvollste Frucht dieser Eutwicklungsstnfe muß aber ein
überaus lebensfrisches uud erfindungsreiches Clavierqnartett (L-Uoll) mit formvollendeten
Variationen im Adagiosatz bezeichnet werden, das dem Autor im Laufe der Jahre wieder-
holt in den weitesten Kreisen der musikalischen Welt, namentlich auch in Wien und London
zn verdienten Ehren verholfen hat.
Die nahezu fünf Jahre, welche von der Beendigung der zweiten Oper Fibich's,
„LIarük", eines musikalisch gehaltvollen und dramatisch lebendigen Werkes, das übrigens
der entsprechenden Würdigung noch harrt, bis zu ihrer ersten Aufführung (gegen Ende
1881) verflossen sind, bedeuten für die künstlerische Entwicklung des Componisten
abermals einen mächtigen Fortschritt. Das beredteste Zeugniß ist wohl die wenige Wochen
nach der Premiere des „lZIamk" begonnene und 1884 im Nationaltheater aufgeführte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch