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Übersetzungen (Walter und Griseldis, Briselidis uud der Ritter Rudolf); ebenso ging man
bei den geistlichen Stoffen vor: beliebte ältere Stücke wurden abgeschrieben und nach
Bedarf umgearbeitet (Adams Leben, Asseneth, Barlaam, Passionale, Das Leben der
heiligen Väter), oder es kamen neue Übersetzungen auf. Von letzleren sind namentlich:
Üwm I^ ikockernovo (Nikodems Evangelium), Lolkernus, Lolial, I^amont sv. Oleü
v teinnosteck (Der heiligen Väter Klage in der Finsterniß), ^ilikovo viäöni (Georgs
Vision) bemerkenswerth.
Die lehrhafte Prosa überragt die bisher genannten Denkmäler unendlich an
Wichtigkeit. Um ihre formelle Ausbildung nnd Vervollkommnung hat sich M. Johannes
Hns direct nnd indirect unvergängliche Verdienste erworben. Direct zeigte sich sein Einfluß,
iusoserue er statt der unbequeme» Gruppenorthographie zur Bezeichnung der der
böhmischen Sprache eigenthümlichen Laute, Punkte und Striche als diakritische Zeichen
über den Buchstaben des lateinischen Alphabets aufnahm, nnd auch darin, daß er die
Schriftsprache uicht nur rem, sondern anch allgemein verständlich zu machen suchte,
indem er verschiedene Formen, die aus dem lebendigen Verkehr bereits verschwunden waren
und nur in Literaturwerken sich traditionell erhielten, beseitigte. Sein indirekter Einfluß
ergibt sich aus seiner Lehre, wonach die Kenntniß der heiligen Schrift jedes Menschen
unausweichliche Pflicht sei; die Überzeugung davon hatte zur Folge, daß die Leetüre des
Buches der Bücher mit ungeahntem Eifer gepflegt und die daselbst herrschende Stilart als
allgemein giltige Norm angesehen wurde.
Den eigentlichen Schwerpunkt der prosaischen Prodnction bilden die theologischen
Werke, denn an diesen betheiligen sich gerade die Männer, deren Schicksale und Lehrsätze
die Hauptquelle der literarischen Thätigkeit abgaben. Die erste Stelle gebührt zeitlich und
sachlich dem unglücklichen Prediger der Betlehemskapelle zu Prag, M. Johannes Hns
(1369 bis 1415). Seine zahlreichen böhmischen und lateinischen Schriften zeugen nicht
nur vou einer umfassenden Kenntniß beinahe aller Wissenschaften der damaligen Zeit,
sondern auch von unbeugsamer Kraft der Überzeugung und musterhafter Würde des
Charakters. Originell sind sie nur so weit, als es sich um die Erklärung und Erörterung
der in denselben als richtig anerkannten Grundsätze handelt; die Grundsätze selbst beruhen
auf der heiligen Schrift, welche als die einzige sichere und feste Glaubensregel angesehen
wird. Diese evangelische Ansicht fand Hns am vollkommensten ausgedrückt in der Lehre
des berühmten Johannes Wiklef, dem er sich denn auch am nächsten anschloß und von
dessen Lehrsätzen er viele in seine Werke aufnahm. Nichtsdestoweniger folgte er den Spuren
Wiklefs nicht blind, sondern erwog sorgfältig alle Gründe, und was immer er vou irgend-
woher übernahm, trachtete er mit der Lehre der katholischen Kirche in Einklang zu bringe».
Er dachte nicht daran, den allgemeinen Glauben durch kühue Neuerungen umzugestalten,
Böhmen. 6
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch