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sondern von fremden Strömungen getragen auf Sandbänke anlaufen und hier in einer
Art trüber Einförmigkeit verharren. Selbst der Sprache kommt die elegante Fassung theuer
zu stehen, weil sie derselben einen großen Theil ihrer ursprünglichen Reinheit und Kernigkeit
zum Opfer bringt.
Die Ursachen dieser ungleichartigen Erscheinungen fließen aus mehreren Quellen.
Vor Allem übten hier die günstigen öffentlichen Verhältnisse großen Einfluß aus; das
von früher her erstarkte nationale Bewußtsein erhielt sich durch das ganze XVI. Jahr-
hundert in voller Kraft, da es nicht nur durch allgemeinen Wohlstand, sondern auch durch
hilfreiche Unterstützung der entscheidenden weltlichen und geistlichen Kreise eifrig gefördert
wurde. Der Literatur gereichte dies immerdar zu ausgiebiger Kräftigung, aber sie hätte
ihre Aufgabe nicht mit Erfolg erfüllen können, wenn sich nicht außerdem noch andere
Factoren beigesellt hätten, nämlich die Bnchdruckerkuust uud der Humanismus , durch
welche sie erst allgemeine Verbreitung und Förderung fand. Eine Schattenseite gab dem
gegenüber das Vorurtheil ab. daß alles literarische Streben in einer Renaissance im antiken
Sinne gipfeln müsse, was höchstens nur in formaler Beziehung sich durchführen ließ,
sonst aber mit offenbarer Schädigung vieler Eigenthümlichkeiten des nationalen Lebens
verbunden war. Aber einen weit beklagenswertheren Einflnß übten die neu auftauchenden
Strömungen der religiösen Reformat ion aus; sie verschuldete» größteutheils die
ermüdende Eintönigkeit auf literarischem Gebiete.
Als erste Probe der Buch druck erknn st iu Böhmen gilt die im Jahre 1468 zn
Pilsen gedruckte Trojaner-Chronik, aber die verhältnißmäßig vollkommene Ausstattung
scheint zu beweisen, daß kleinere Versuche vorangegangen waren, bevor man sich an ein
ausgedehntes und kostspieliges Werk wagte. Außer den Pilsener Drucken kennt man aus
deu nächsten Jahren auch Prager, Kuttenberger und Winterberger Jncnnabeln; hervor-
stechend ist bei ihnen die Eigenthümlichkeit, daß es mit geringfügigen Ausnahmen lauter
Bücher der lebendigen Volkssprache sind und keineswegs lateinische Werke, wie es sonst
fast überall stehende Gewohnheit war.
Der Humanismus , die Quelle altclassischer Bildung, gipfelte in Böhmen seit jeher,
wie auch sonst überall, in der Kenntniß des Lateins, welches wegen seines kosmopolitischen
Charakters nicht nur bei höheren Studien, sondern auch im öffentlichen Leben und
namentlich in kirchlichen Angelegenheiten geradezu als unumgänglich erschien. Dies Ver-
hältniß begegnete anfangs nirgends einem Widerstande. Selbst Hns nahm keinen Anstand,
Kirchenlieder und wichtige dogmatische Schriften lateinisch zu verfassen, und dasselbe thaten
auch feiue Freunde und Widersacher. Sobald aber die Zerwürfnisse und Zwistigkeiten in
blntige Kämpfe ausarteten und die entscheidende Macht in die Hände des Volkes überging,
da wurde jedes Merkmal der gegnerischen Seite rücksichtslos ausgemerzt und demgemäß
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch