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Paraphrasen Johann Vorlicuy (1572) und David Crinitns (1581); genaue Anwendung
von Quantitätsregeln, wie sie vordem (1558) Blahoslav angedeutet hatte, bemerkt man
erst bei Matthäus Philouomus Beuesovsky (1577) und Laurentius Benedict! von
Nudozer (1606).
Die dramatische Dichtung, die im XIV. Jahrhundert gar oft in Derbheiten
ausartete, verlor in der Hnsitenzeit jedweden Boden, da sie mit den strengen Ansichten
religiöser Sittenrichter nicht vereinbar war. Erst unter König Georg und uoch mehr
unter der friedlichen Regierung der Jagellonen rief sie der aufblühende Humanismus
zu ueuem Leben. Anzeichen davon treten theilweise in Überbleibseln von Übersetzungen
des Terentins, theilweise auch in einigen kirchlichen Stücken hervor, aber die eigentliche
Wiedergeburt stellte sich erst in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ein, als
nämlich der Einfluß lateinischer Schulen, insbesondere jener des Jesuitenordens seine
Wirksamkeit zu äußern begann. Die erhaltenen Stücke zerfallen in zwei Gruppen: in ernste
mit lustigen Zwischenscenen, meist biblischen oder religiösen Inhalts, und in heitere,
weltlichen, nicht selten ausgelassenen Charakters. Jene waren für die Gebildeteren, diese
für das gewöhnliche Volk bestimmt. Bei der ersten Gattung hielt man sich einigermaßen
an die äußeren technischen Regeln, auch der Inhalt Pflegte ziemlich reich zu sein, aber statt
des dramatischen Lebens und folgerichtigen Zusammenhangs zeigt sich durchgängig decla-
matorische und moralisirende Breitspurigkeit. Bei der zweiten Gattung tritt diese rhetorische
Weitschweifigkeit etwas zurück, weil der scherzhafte Inhalt an sich etwas mehr Rührigkeit
und Mannigfaltigkeit ins Spiel brachte, aber dafür sehen wir meist wieder nur Scenen,
die der Lachlust dienen und jeder Harmonie der Theile und des Ganzen entbehren.
Namhaftere Bearbeiter beider Gattungen waren Nikolaus Konäc von HodiZtkov
(gestorben 1546), Pau l Kyrmezer (gestorben 1589), Johann Zährobsky (gestorben
circa 1590) und Georg Tesäk (gestorben 1604).
Die erzählende Prosa richtet während der ganzen Periode ihr Augeumerk
nur auf die volksthümliche Lectüre. Das bedrückte Volk sucht und findet Trost und
Erholung in phantasiereichen Erzählungen, weil es dabei wenigstens zeitweilig sein Elend
vergißt und sich in andere Verhältnisse versetzt. Moralisirende Tendenz ist vorherrschend.
Originalität zeigt sich in keinerlei Richtung; Stoffe, die größteutheils schon längst nnd
wiederholt bearbeitet worden waren, treten durch Vermittlung des Buchdrucks neuerdings
ihre Wanderung durch verschiedene Gegenden an. In erneuerter Gestalt tauchen alle
geistliche Romane und verschiedene Weissagungen auf, aber an Zahl verschwinden sie in
der bunten Menge der Rittergeschichten und mannigfaltiger anderer weltlichen Erzählungen,
als da sind: Tristan, die sieben weisen Meister, Florius und Biancesora, Melusine,
Lncretia, Peryton, Magelone, Gniscard und Sigismunde, Esops Leben und Thaten,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch