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Diejenigen, die vornehmlich an diesen Erstlingsarbeiten betheiligt waren, erkannten
wohl selbst, daß ihre Beiträge nicht auf künstlerischer Höhe ständen, und suchten daher ihre
eigene Production dnrch Anlehnung an fremde Muster zu heben. Neben Puchmayer, der
in Versen Montesquieu's l'emple äe Lniäe — „Chräm Gnidsky" (1805) bearbeitete,
betrat diese Bahn sehr frühzeitig Johann Nejedly (1776 bis 1834), Pelzels Nachfolger
in der Professur der böhmischen Sprache an der Universität, der einige Zeit hindurch das
Haupt der literarischen Thätigkeit war; seine Zeitgenossen schätzten besonders seine Probe
aus Homers Jlias (1801) sehr hoch, aber auch seine anderen Übersetzungen, durchaus
idyllischen Charakters, aus Sal. Geßner, Florian und Anderen. Auch in der wissen-
schaftlichen Vierteljahrschrist .Ulasstel- (Der Verkündiger, 1806 sq.), seinem wichtigsten
literarischen Unternehmen, tritt dieses Streben hervor, nur daß der verdienstvolle Mann
mit dem uuu nicht mehr hinreichenden Wortvorrathe aus der Zeit Veleslavins arbeitete.
In dieser Hinsicht war Nejedly einseitig und was noch schlimmer, unnachgiebig; er wollte
nicht einmal in der Orthographie Abweichungen zulassen, wodurch er allmälig in eine
Collision mit den Anforderungen des modernen Geistes gerieth und eine Krisis hervorrief,
die nicht anders als mit dem vollständigen Siege der fortschrittlichen Partei enden konnte.
Das Haupt der letzteren war „der stille Genius" Josef Jungmann (geboren
1773 in Hndlitz bei Beraun, gestorben 1847 als emeritirter Präfect des k. k. akademischen
Gymnasiums in Prag). Ausgestattet mit umfassender Kenntniß sowohl der antiken als der
modernen Sprachen und Literaturen und auch auf anderen Gebieten wohl bewandert,
erkannte er mit richtigem Blick, daß, um der sichtlichen Stagnation zu begegnen, ansgiebige
neue Hilfsquellen durch die Erweiterung des bisherigen Sprachschatzes eröffnet werden
müßten. Für die Verwirklichung dieser Idee setzte er sich mit aller Kraft seines ausge-
zeichneten Geistes ein.
Sein Schaffungstrieb wählte sich vor Allem die Poesie zum Ziele. Eiu großes,
selbständiges Werk hat er zwar auf diesem Gebiete nicht zustande gebracht, aber dafür dnrch
Meisterübersetzungen aus dem Englischen (Miltons Verlorenes Paradies 1811, Pope's
Messias), aus dem Französischen (Chateanbriands Atala 1805) und aus dem Deutscheu
(Goethe's Hermann und Dorothea, Schillers Lied von der Glocke) eine neue poetische
Sprache voll frischer Kraft und Anmuth geschaffen. Ein ungewöhnlich feiner Schönheitssinn
und gründliche philologische Bildung unterstützten ihn bei der Wahl der Mittel, so oft er
entweder aus älteren Denkmälern passende Ausdrücke oder Phrasen heraussuchte oder zu
den verwandten slavischen Sprachen seine Zuflucht nahm oder schließlich ein neugebildetes
Wort in Umlauf zu bringen versuchte; daher kam es auch, daß alle seine Neuerungen in
vollem Umfang Eingang und frühzeitig auf dem verjüngten böhmischen Parnaß Geltung
fanden, so namentlich in den Gedichten des begeisterten Lyrikers Mi lo t aZd i r ad Poläk
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch