Seite - 120 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15

120 In seinen schriftstellerischen Anfängen beschäftigte sich Palacky >vie anch Safarik mit schöner Literatur und Ästhetik, doch nach seiner Ankunft in Prag entsagte er dieser Richtung und stellte sich zur wichtigsten Aufgabe seines Lebens, ein ausführliches und treues Bild der Vergangenheit Böhmens zu geben. Zu diesem Zwecke unternahm er viele Forschungs- reisen nach den einheimischen nnd auch ausländischen Archiven, würdigte und pnblicirte wichtige historische Quellen, und nach vielseitigen anstrengenden Vorbereitungen übergab er der Öffentlichkeit seine imposanten ,l)Hin^ närvcka Üesköko v öscliäck a v Noravö« (Die Geschichte des böhmischen Volkes in Böhmen und Mähren, 1848bis 1876,11 Bände), von den Uranfängen bis znm Tode König Ludwigs im Jahre 1526. Strenge Objektivität ist hier von tiefer philosophischer Anschauung begleitet, dnrch pragmatische Auseinander- setzung beseelt und von künstlerischer Anmuth durchweht. Ähnliche Eigenschaften weisen auch die anderen zahlreichen Schriften Palacky's, welche die Geschichte, Literatur uud das öffentliche Leben betreffen, auf; die Specialforschung hat in ihnen größtentheils eine unumstößliche Grundlage und das böhmische Schriftthum eine seltene Zierde. Mit Palacky schließt die Reihe jener großen Männer ab, die dem gedemüthigten böhmischen Namen zu neuem Glänze verhalfen. Die nationalen Anforderungen vergönnten es beinahe keinem von ihnen, seine Kräfte auf ein Ziel zu concentriren und nach eigenem Wunsch zu arbeiten, dennoch haben sie, obgleich sie beinahe unablässig mit ungünstigen Verhältnissen zu kämpfen hatten, Werke von unvergänglichem Werthe vollführt und auf diese Art den glänzendsten Beweis bewunderungswürdiger geistiger Fähigkeit erbracht. Im Geiste dieser Männer arbeitete auch die gleichzeitige und nachfolgende Generation. Wir können nns hier nicht in ausführliche Aufzählungen einlassen, was Verdienstliches ans den einzelnen literarischen Gebieten aus uneigennützigem Patriotismus geleistet worden ist, nur die hervorragenden und markanten Erscheinungen wollen wir kurz berühren. In der Poesie, die anfänglich größtentheils dilettantisch gepflegt wurde, wiegt bis iu die Zwanziger-Jahre das idyllische Element vor; nur in Übersetzungen wurden ab und zu auch andere Saiten angeschlagen. Einen Umschwung führten Kollär und Celakovsky herbei; seit ihrem Auftreten nimmt der Dilettantismus rasch ab, der Horizont erweitert sich, es entstehen neue Richtungen, ein wahrhafter Schwung und die Vollkommenheit der Form werden zur uuabweislichen Forderung. Das Volk zu erwecken und zu veredelu ist zum gemeiusamen Losungsworte geworden. In der Lyrik überragte die andern dnrch den Reichthum patriotischer Motive und durch eiueu zarten Gefühlsfinn Josef Krafoslav Ehmelensky, durch künstliche Form Karl Vinaricky (1803 bis 1869), dnrch volksthümlichen Ton Franz Jaros lav Vacek Kamenicky (1806 bis 1869), durch eindringliche anmuthsvolle Paränesis Boleslav Jablousky (1813 bis 1881) uud Andere. Einen Übergang zur modernen