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nüchterne Beurtheiler aller Dinge, wird hier die Universität begründet, mit der eine neue
Epoche in der Geschichte der Wissenschaften anhebt, dämmern hier zuerst diesseits der
Alpen einige Strahlen des neuerwacheuden Humanismus. Die Rücksicht auf das Nützliche,
Praktische überwiegt, die Gelehrsamkeit erstickt die Poesie.
Heinrichvon Mügeln ist der hervorragendste Dichter dieser Zeit. Er kam noch zu
Lebzeiten König Johanns nach Prag und lebte hier bis 1358 in hohem Ansehen, unterstützt
von Karl IV. Dann zog ihn Rudolf der Stifter nach Wien. Er „singt" in seinen kunst-
vollen Meisterliedern von der Herrschaft des Himmels und der Erde, von Träumen und
edlem Gestein, von der Kraft der Kometen und Anderem. Auch Geschichten und Fabeln
hat er zu lehrhaftem Zweck gereimt. Sein Hauptwerk aber ist „Der Maide Kranz", den
er Karl IV. gewidmet hat. Zwölf Wissenschaften sind da als Jungfrauen dargestellt, die um
deu Vorrang streiten, der Kaiser soll entscheiden. Er möchte der Theologie den Vorrang
geben, schickt aber alle zur „Herrscherin Natur" in Begleitung des Ritters „Anstand" und
seiner Schwester „Zucht". Natur hat in ihrem Palast die Tugenden um sich versammelt,
sie krönen die Theologie. Diese muß aber jetzt einen Streit zwischen der Natur und
den Tugenden entscheiden und stellt fest, daß sie nicht von der Natnr, sondern von
Gott stammen. — In der That: im Gewände der dichterischen Allegorie eine physikalisch-
philosophisch-theologische Abhandlung! Der Zeit gefiel das. Gelehrsamkeit stand
ungemein hoch.
Die Sprache der Gelehrten war freilich das Latein. Der Kaiser selbst tritt
in die Reihe der lateinischen Schriftsteller. Aber deutsch ist die Sprache des Verkehrs
und diese erobert sich rasch ganze Gebiete, wo noch im früheren Jahrhundert das Latein
ausschließlich gegolten. Deutsche Urkunden werden immer häufiger, deutsch abgefaßt sind
einige Rechtsdeukmäler. Ihre Sprache selbst ist sehr merkwürdig. Sie zeigt hier iu
Böhmen unter den Luxemburgern zuerst jene bezeichnenden Eigenheiten, die unsere heutige
Schriftsprache aufweist: hier in Böhmen ist die Geburtsstätte unseres Neuhochdeutsch.
Dem immer mächtiger werdenden Drange der Laien nach höherer Bildung dieuteu
auch eiue Reihe vou Übersetzungen. Schon Heinrich von Mügeln war als Übersetzer thätig,
doch erst in einer Zeit, als er nicht mehr in Böhmen weilte. Aber noch zn Lebzeiten König
Johanns übersetzte ein Prager Geistlicher eine cechische Reimchronik von Böhmen, die
unter dem Namen des Dal imi l geht. Er mildert dabei einigermaßen die Ausfälle gegen
die Deutschen, lobt den Köuig Ottokar und setzt der Chronik einen annalistischen Abriß nach
lateinischer Quelle voraus: Alles in sehr schlechten Reimen und noch schlechteren Versen.
Kein Wunder, daß dieses Reimwerk den Lesern nicht behagte, merkwürdig aber, daß man
diese cechische Chronik, die unterdessen mannigfache Veränderungen nnd Zusätze erfahren
hatte, uach dieser neue» Gestaltung nochmals ins Deutsche übersetzte, und zwar jetzt in Prosa.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch