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protestantischen Schul' und Pfarrherren gewesen: diese wurden jetzt aus dem Laude ver-
triebe«. Eine ganze Anzahl von Dichtern des XVII. Jahrhunderts, die in Böhmen
geboren waren, wirkten im Ausland, ein Sigmund von Birke» (Betulius) uud sein
Bruder Christian aus Wildstein, Erasmns Winter aus Joachimsthal, Christian Keimann
aus Pankraz n. A.
Aus der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts wüßte ich neben dem gelehrten Dom-
propst Georg Barthold Pontanns von Breitenberg 1616) nnr zwei dentsche Dichter
in Böhmen namhaft zu machen. Theobald Höck, seit 1601 Secretär des letzten Rosen-
bergers, ließ ein „Schönes Blumenfeld" recht schwerfälliger znm Lesen bestimmter „Lieder"
drucke» und Joh. Bretislav Mislick Freiherr von Hirschhof zeigt sich in einigen an Rist
gerichteten Gelegenheitsgedichte» als gewandter Schäferdichter. Immerhin lassen anch
diese beiden die veränderte Art der Literatur des neuen Jahrhunderts erkennen.
Die deutsche Literatur seit dem dreißigjährige« Krieg.
Kein Gebiet des heiligen römischen Reiches hat durch den großen Religionskrieg
in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts mehr gelitten als Böhmen. In Böhmen
war der verheerende Brand ausgebrochen, loderte stärker oder schwächer die vollen drei
Jahrzehnte des Krieges hindurch, ließ auf lauge, lange Jahre hinaus seine Trümmer-
stätten zurück. War fast das ganze Gebiet deutscher Zunge einer Erschöpfung anheimgefallen,
aus der sich erst gegen Ende des Jahrhunderts der Muth zu geistigem Schaffen allmälig
emporrang, so lag vollends auf Böhmen das große Schweigen eines Kirchhofs. Die einzige
Macht, in deren Bereiche es ein geistiges Leben gab, war um jene Zeit die herrschende
Kirche. Ihr waren alle Schulen des Landes unterworfen und in ihrem Bereiche
fanden bildende Kunst und Musik deu Raum zu einer Entwicklung innerhalb bestimmter
Schranken. Die deutsche Dichtung aber lag in Böhmen fast ein volles Jahrhundert
darnieder. Kein Hauch der geistigen Bewegung, die um die Wende des Jahrhunderts sich
in Sachsen und Schlesien erhob, drang über die böhmischen Gebirge herüber. Vergebens
lanscht der Geschichtsschreiber in Böhmen auf ein Echo der deutschen Poesie, die sich in
den Tagen des Leibnitz und Thomasins philosophischer Gedanken bemächtigt oder in den
frommen Klängen des Kirchenliedes schwelgt oder in vereinzelten Weckrufen den neuen
Muth der individuellen Empfindung verkündet. Der Piarist Jaroslaus Schaller erzählt uns
ausführlich von den zahlreichen Erlässen nnd Verordnungen, welche die „Bücherseuche"
vou Böhmen ganz fernhalten sollten. Allein die fortwährende Wiederholung und hänfige
Verschärfung dieser Verbote und Einschränkungen, die erst in der Josephinischen Periode
außer Kraft traten, beweist zur Genüge, daß das Bedürfniß nach einem lebhafteren Zuge
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch