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Reiz und Stimmung der böhmischen Landschaft spiegelten sich in liebevollen Bildern, der
Blick der Poeten versenkte sich in die Tiefen des Volkscharakters. Und über diesem ganzen
Lenz der Poesie lag ein Hauch der Schwermuth wie auf jungem Grün, das zwischen altem,
grauem Gemäuer emporschießt. Mit den persönlichen und volksthümlichen Erregungen,
die sich kühner vernehmen ließen, mit dem Weltschmerz, der von Englands nebligen Küsten
her sich über ganz Europa verbreitete, fluteten die schmerzlichen Erinnerungen an Böhmens
Geschichte zusammen, an deren stummberedten Zeugen das alte hundertthürmige Prag so
reich ist. Der schwere Wellenschlag des Heldengedichtes entsprach am besten der inneren
Melodie der Herzen. Das Drama, das selbst die Vergangenheit in taghelle Gegenwart
wandelt, hatte wenig glückliche Jünger in der Poetenschaar dieser Zeit; im Epos, das
am hellen Tage von der Vergangenheit träumt, sammelte sich das beste Theil ihrer
gestaltenden Kraft.
Die Strahlen der Josephinischen Zeit fanden ihre Brennpunkte in der Universität
und im Theater. Lichtfreundliche Männer stiegen zu den Lehrkanzeln der altehrwürdigen
Carola-Ferdinandea empor, suchten die Herzen der Jugend für die neue Zeit zu erwärmen
und durchbrachen den Bannkreis der alten, klösterlich angehauchten Gelehrsamkeit. Die
Aristokratie, welche vorher die italienische Oper und die plumpen Hanswurstscherze eines
Bernardon vorwiegend begünstigt hatte, folgte dem Beispiel des Thrones uud brachte
Opfer für die Erweckung uud Erhaltung einer deutschen Bühne in Prag. Noch vor
Begründung des deutschen Nationaltheaters durch den Grasen Nostitz hatte die darstellende
Kunst bald da, bald dort ihre Zelte aufgeschlagen uud zwischen Burlesken, hölzernen Lust-
spielen im Stile der vorclassischen Zeit, Rührstücken und seichten Ritterkomödien fanden
schon die Werke Lefsings, mit dessen „Emilia Galotti" 1783 das neue Haus eröffnet
wurde, einen bescheideneu Raum. Der lebendige Eindruck der Scene, mehr noch das Tages-
bedürfniß der Bühne lockten zu dramatischen Versuchen. Schauspieler, die in Prag längere
oder kürzere Zeit wirkten, bildeten den Mittelpunkt dieses Autoreukreises, dem sich Beamte
nnd Professoren anschlössen. Eine große Anzahl von Theaterstücken, die in den Siebziger-
nnd Achtziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden, um bald wieder vergessen zu
werden, trägt das Prager Verlagszeichen gleichsam als Fabriksstempel an der Stirne.
Moses Dobrnschka brachte Schäferspiele, Victoria von Rnpp, Johauu Friedet , der
mit der Feder für seinen engeren schauspielerischen Bedarf sorgte, Heinrich Reinike, der
nach Lessing einen „deutschen Nathan" dichtete, I. A. Rothe, I. I. Gnad und Andere
wetteiferten in rührenden nnd grotesken Lustspielen und stoffreichen Historien. Am frucht-
barsten waren Ritter von Ste insberg und Johauu Komarek, beide Böhme» von
Geburt und dnrch ihren Beruf mit der Literatur verbunden. Steinsberg, Director und
Unternehmer der Theater zu Prag uud Regensburg, versuchte sich iu alle» bekannten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch