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Josef von Weilen, der aus dem Dorfe Tetin bei Prag stammt, wurde früh der Heimat
entfremdet; Böhmens Sage und Geschichte klingen in seinem Drama „Drahomira" an.
Seligmann Heller, ein Sohn der Stadt Rauduitz, der als Schauspielkritiker in Prag
bedeutsam wirkte, erweckte durch seinen „Ahasver", ein tiefsinniges Epos in formvollendeten
Terzinen, die Aufmerksamkeit der ernsten Literaturfreunde. Josef Manthner , ein aus
Prag stammender Lyriker von glnthvollem Ausdruck der Empfindung, wurde als Dichter
erst nach seinem Tode, im Jahre 1891, bekannt. Julius Guudl iug (Luciau Herbert)
griff als Journalist und fleißiger Romanschriftsteller nach vielen Seiten aus. In engeren
Kreisen fand der Humorist Eduard Pokorny, der ein scharfes Auge für die Eigen-
thümlichkeiten böhmischer Verhältnisse hatte und dessen breiter Prodnctionsftrom manches
Goldkörnchen gemüthvoller Laune mit sich führt, viele Freunde und Verehrer. Karl
Thomas (der Nationalökonom Professor Karl Thomas Richter) bekundete in Novellen,
wie iu seiner Tragödie „Samson" den Zug einer starken Begabung. Auch Michael
Klapp, der in seinen ersten Versuchen von Kompert angeregt erscheint und später mit
seinem Lustspiel „Rosenkranz und Güldenstern" einen glücklichen Wurf that, und Julius
Rosen (Düffel), der eine Zeit lang als witziger Lustspielstenograph die deutschen
Bühnen beherrschte, sind Prager von Geburt. Sie gehören zu den wenigen Vertretern
der gefällig leichten, rasch zündenden Dichtung, die aus Böhmens Deutschthum hervor-
gegangen sind.
In den letzten drei Jahrzehnten, in denen die territoriale Begeisterung gegen die
nationale zurücktrat, haben sich deutsche und slavische Literatur iu Böhmen schars von
einander gesondert. Die deutsche flutete naturgemäß stärker mit der Gesammtliteratnr
in Österreich und Deutschland zusammen, doch verlor sie nicht ihre ernst gestimmte Eigen-
art und schuf sich ihre besonderen Organe für die Wirksamkeit im Lande. Der „Verein
für Geschichte der Deutschen in Böhmen", für den der Geschichtsschreiber Ludwig
Schlesinger in hervorragender Weise thätig ist, Pflegt in seinen werthvollen Mit-
theilungen auch die Geschichte der Landesliteratur. Der „Verein zur Verbreitung gemein-
nütziger Kenntnisse" begründete eine ganze Bibliothek volksthümlicher Schriften, zu dereu
gediegensten die Werke von Julius Lippert gehören. Deutsche Poeten haben sich mit
Malern, Bildhauern und Mnsikern 1871 am Tage der Grillparzer-Feier zu frnchtbarem
Wirken im deutschen Schriftsteller- und Künstlerverein „Eoncordia" vereinigt. Der
cechifchen Akademie hält die vor kurzem von Philipp Knoll begründete „Gesellschaft zur
Förderung deutscher Wissenschaft, Literatur uud Kunst in Böhmen", die mit der Universität
innig zusammenhängt, das Gleichgewicht. Toischer in Prag, Grad l und J o h n
in Eger, Pand le r in Leipa, W olkan in Eeruowitz, Pe te rs in Leitmeritz und Anton
August Naaff in Wien beschäftigen sich liebevoll mit der Erforschung der Volkslieder,
Böhmen. 11
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch