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verfaßtes „böhmisches Trauerspiel von St. Wenzeslans dem Märtyrer". Diese nationale
That zündete, sogar protestantische Jesuitengegner fanden nunmehr, daß sich die schwarzen
Väter endlich „ihr Brot zu verdienen anfangen". Andere cechoslavische Dramen, in denen
biblische Handlungen mit derben Fastnachtsspäsien kühn vermischt waren, verfaßten Panl
Kirmesser, Reetor in Mährisch-Straznitz, und Simon Lomnicky (geboren 1552). Die
Tragieomödie vom König Achab, welche die Jesuiten im Prager Clemeutiuum aufführten,
dauerte volle zwölf Stunden, von Mittag bis in die Nacht; zur Erhöhung der Festlichkeit
läuteten die Glocken auf den Thürmen uud „Musikchöre spielten anmuthige Weisen".
Dagegen kehrten die Professoren und Magistri der Carolinischen Universität, als
sich die Stürme und Ungewitter des dreißigjährigen Krieges bereits unheimlich ankündigten,
in ihren Spielen dieselbe derb-antipapistische Richtung hervor, welche die dramatische
Literatur im protestantischen Deutschland zn derselben Zeit deutlich genug ausprägte.
Ein Drama des fruchtbaren Poeten Campanus Wodnauus: „Die Entführung der
Prinzessin Judith durch Bretislav, den böhmischen Achilles", das 1604 im Carolinnm
vorbereitet wurde, durfte als eine „Darstellung von Kirchenschändung, eine Verhöhnung
des Kaisers, ein Schandfleck der böhmischen Regenten und eine Vertheidigung ungesetz-
licher Handlungen" nicht auf die Bühne kommen; das Manufcript wurde den Flammen
übergeben.
Als dann die Stürme des dreißigjährigen Krieges verheerend über Böhmen dahiu-
bransten, verhüllten die Musen trauernd das Hanpt; nur die Jesuiten, welche nach der
Schlacht am Weißen Berge wieder in die verlassenen Ordenshänser eingezogen waren,
und die höfischen Poeten oder Compositoren ergriffen die Gelegenheit festlicher Ereignisse
zu einem kräftigen Griff in die Leyer, zu einer Erneuerung prunkvoller Spiele. Am
6. December 1627 führten die Jesuiten in Prag die „triumphirliche Tragoedy vom
Kaiser Constantino Magno sambt seinen zween von ihm gekrönten Söhnen" zur Feier
der Königskrönung Ferdinands III. mit unerhörtem Prunke auf. Am 29. September 1644
gab man eine aus uubekauuter Jesuitenfeder stammende „Maria Stuart". Bis in die
zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts erhielten sich in den Jesuitenhäusern diese Schul-
comödien; ihre Bedeutung hatten sie längst eingebüßt, sie hatten ihren Znsammenhang
mit der Entwicklung der Volksliteratur verlöre».
Die erste nachhaltige Eoncnrrenz bereitete den Jesuitenaufführungen die italienische
Oper, welche zunächst an den Höfen freudige Aufnahme uud zärtliche Pflege faud. In
Italien hatten die Mysterien einen immer schärfer ausgeprägten musikalischen Charakter
angenommen; die unter dem Namen „Oratorien" bekannten allegorischen Spiele uud die
musikalischen Pastoral-Tragödien nnd Comödien (Schäferspiele) bedeuteten den Anfang
der Oper. Konnte Prag, wo Kaiser Rudolf II. schon zu Ende des XVI. Jahrhunderts
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch