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Das Theater, welches der Schauplatz der unvergeßlichen Mozarttage war, hörte
im Jahre 1799 auf, eine Privat-Unternehmnng zu sein. Am 28. März dieses Jahres
ubergab der Eigenthümer Graf Friedrich von Nostitz-R hieneck das von seinem Vater
ererbte Haus den Ständen Böhmens in deren volles Eigenthum gegen die bescheidene
Kaufsumme von 60.000 Gnlden, welche aber nicht vom Lande, sondern von sechs Mit-
gliedern des böhmischen Hochadels erlegt wurde. Es war ein in seiner Art einziges
Abkommen, welches da getroffen wurde. Jeder der Mäcenaten erwarb durch seine
Theilnahme am Ankaufe des Theaters für die Stände den Besitz einer sogenannten
Erbloge, der Verkäufer Graf Nostitz selbst verzichtete auf 10.000 Guldeu des ursprünglich
stipulirten Kaufschillings unter Vorbehalt eiuer Familien-Erbloge. So besaß und besitzt
das alte Prager ständische, das heutige deutsche Landestheater, außer seinem eigentlichen
Eigenthümer, dem Lande Böhmen, noch sieben „Eigenthümer", deren Rechte mit einer ihnen
erblich gehörigen Loge verknüpft sind und auch bei gewissen Gelegenheiten, zum Beispiel
den Directionsverleihnngen, dnrch ein besonderes Votum geltend gemacht werden können.
Der Logeneigenthümer kann mit seiner Loge schalten und walten, wie es ihm beliebt, sie
vererben, verkaufen und (jedoch nur auf ein halbes Jahr) verpachten — ein Verhältniß,
wie es kaum anderswo bestehen dürfte. Das von den Ständen Böhmens erkaufte Haus
führte von nun an den Titel „ständisches Nationaltheater in Prag". Eine von den
Ständen eingesetzte Behörde — Jahrzehnte hindurch die sogenannte „ständische Theater-
anfsichts-Commission", später eine von den Ständen, respective dem Landesausschuß ein-
gesetzte Intendanz — waltete als administrative, aber auch artistische Oberbehörde und
controlirte das Gebahren der im Pachtverhältniß zum Lande stehenden Direktion.
Dadurch war das Prager Haupttheater in den Rang der Hoftheater gerückt, dem leeren
Eigennutz, dem unkünstlerischen Treiben einzelner Unternehmer vorgebaut, und mochte
sich auch die Oberaufsicht mitunter in kleinlichen Hemmnissen, in empfindlicher Bevor-
mundung äußern, sie hat doch wesentlich dazu beigetragen, dem Prager Theater seinen
hohen Rang in der Bühnenwelt, den ersten nach den Wiener Hofbühnen in Österreich zu
bewahren. Der erste „ständische Unternehmer und Director" war der Italiener Domenico
Gnardasoni.
War das deutsche Schauspiel durch die Vorliebe des Italieners für „seine Oper"
einige Jahre in den Hintergrund gedrängt, so erhob es sich dafür unter seinem Schauspiel-
regisseur und Nachfolger Karl Liebich zu einer außerordentlichen Höhe. Die Directionszeit
Liebichs (1806 bis Ende 1816) wird als das goldene Zeitalter der Prager Bühne
gepriesen. Noch in der letzten Zeit des Gnardasoni'schen Regimes war das gesammte
Theaterwesen Prags in den Händen des „ständischen Direktors" concentrirt worden.
Die Nebentheater waren verschwunden oder mit dem Haupttheater vereinigt worden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch