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War die slavische Bühne gewachsen, so war die deutsche geradezu eingeschränkt in ihrer
Thätigkeit, als das baufällige Gebäude des Kotzentheaters nicht mehr für Malersaal
und Magazine zur Verfügung stand und dem Holzbau des Neustädter Theaters der
Untergang drohte. Der von deutscher Seite im böhmischen Landtage eingebrachte Antrag
auf Gewährung von 800.000 Gulden zum Ankauf des Neustädter Theaters uud zur
Erbauung eines das alte Landestheater ergänzenden neuen deutschen Theaters scheiterte
au den politischen Verhältnissen; nun aber nahm der im Januar 1883 gebildete
deutsche Theaterverein die Sammlung von Geldmitteln zur Durchführung des jenem
Antrage zu Grunde gelegten Planes in die Hand. Eine Petition um Bewilligung von
500.000 Gulden für die Zwecke dieses Theaterbaues wurde gleichzeitig mit einer von
cechoslavisch er Seite eingebrachten Forderung von 800.000 Gulden für ein neues cechisches
Sommertheater am 8. August 1883 vom böhmischen Landtage abgewiesen, aber die von
Seiner Majestät dem Kaiser mit 10.000 Gulden geförderten Sammlungen für das
deutsche Theaterunternehmen nahmen einen gedeihlichen Aufschwung und am 5. Januar 1888
konnte unter großartigen Festlichkeiten, unter zahlreicher Betheiligung der deutschen uud
österreichischen Kunstwelt und des deutsch-böhmischen Volkes das „neue deutsche
Theater", errichtet auf dem Grunde des käuflich erworbenen und demolirten Neustädter
Theaters, eröffnet werden.
Die Hauptfa^ade des zierlichen, durchaus modernen Baues, den die Architekten Fellner
und Hellmer, mnstergiltig für moderne Theaterbauten überhaupt, hergestellt haben, ist der
Bredaner Gasse zugekehrt und schließt den Straßenzug, der vom Graben zum Franz Josephs-
Bahnhof läuft, effectvoll ab. Äußerlich gefällig und vornehm, überrascht das Theater im
Innern durch glanzvolle künstlerische Ausstattung. 2000 Personen finden in dem, Deutsch-
lands modernsten Theatern ebenbürtigen Hause Raum. Die Künstlerhand des Malers
Eduard Veith hat das Haus mit prächtigen Gemälden geziert; auch der große Bühnen-
vorhang, „das Gesicht des Dichters", Leidenschaften und Triebe versinnbildend, welche das
Menschenleben bewegen und von des Dichters Griffel dargestellt werden, stammt von diesem
Meister. Für Beleuchtung und Betrieb ist die Elektricität nutzbar gemacht worden. Dieses
zierliche und stattliche neue Heim ermöglicht es dem deutschen Landestheater, gleichen Schritt
zu halten mit der rastlos fortschreitenden Zeit. Während in den Wintermonaten in den beiden
der deutschen Kunst geweihten Musenhäusern abwechselnd oder gleichzeitig gespielt wird —
Werke mit großen scenischen Effecten und voraussichtlich großer Theilnahme des Publikums
sind grundsätzlich in das neue Haus verlegt — bietet dieses Heim auch der Muse einen
luftigen Sommeraufenthalt, den man schmerzlich entbehrte. Das durch sei» Schwester-
iustitut, das aus eigener Volkskraft emporgewachsene neue deutsche Theater unterstützte
deutsche Landestheater kann nicht hoffen, seine einstige mächtige künstlerische Stellung,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch