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bald minderte sich die Zahl der Besucher, die treuesten Freunde wurden ungeduldig, weil
die deutsche Bühnenleitung ihre Ideale zu langsam verwirklichte und namentlich der
Erziehung gediegener Kräfte für das nationale Schauspiel so wenig Aufmerksamkeit
zuwendete. Der Bühnenleiter seinerseits zog, verbittert durch solche Umstände, seine Hand
ganz von dem national-cechischen Unternehmen ab, das sich „durchaus unerfreulich und
schadenbringend" gestaltet habe. Der einzelnen Individuen innewohnende Eifer sei den
Massen fremdgeblieben, deßhalb opfere er sich nicht länger jenen sprachlichen Tendenzen
und beschränke sich wieder auf cechische Nachmittagsvorstellungen.
Der rege Wandel des Glücks, den die cechische Bühne in der Rosengasse erfahren,
schien zwar den lebendigen Beweis für die UnHaltbarkeit eines eechoslavischen Theaters
in Prag überhaupt erbracht zu haben, aber die Männer, welche dafür strebten und stritten,
blieben von der Zukunft ihrer Idee überzeugt und säumten nicht, nach neuen Mitteln zu
ihrer Realifiruug zu suchen. Im Jahre 1845 richtete ein Konsortium eechisch-nationaler
Bürger Prags, vor Allen Palacky, Rieger, Trojan, Dr. Fric, Strobach, eine Eingabe an
die Stände Böhmens, worin sie um die Überlassung eines der vacanten ständischen Theater-
privilegien zur Errichtung einer selbständigen cechischen Bühne ansuchten. Aber das
Project begegnete mannigfachen Schwierigkeiten und scheiterte endlich ganz. Wohl schien
die Volksbewegung im Sturmjahre 1848 auch die nationale Theaterfrage wieder anfzn-
regen. Lebhafter denn je empfand man die „Schmach", die cechische Muse auf die Nach-
mittagsftuuden des Landestheaters verbannt zu sehen, und freier äußerte mau die
Forderungen nach einem vom deutschen Musterinstitute loszulösenden selbständigen
slavischen Nationaltheater. 1849 schien anch die wenige Jahre vorher als Utopie belächelte
Idee der Realisirnng nahe. Director Hoffmann stellte seine im Pstroß'schen Garten neu-
erbaute Arena für eiu Repertoire zur Verfügung, das zu zwei Dritteln cechisch uud nur
zu einem Drittel deutsch war; im Winter wurde den cechischen Schauspielen oder Opern
anch ein Wochentags-Abend eingeräumt. Trojan wurde der erste Intendant dieser derart
gehobenen cechischen „Bühne" und — 1851 war auch diese kurze Periode des Aufschwungs
wieder zu Ende. Der schwache Besuch der Vorstellungen in der zweiten (slavischen) Landes-
sprache schreckte den Bühnenleiter ab, die Arena nahm einen vorwiegend deutschen
Eharakter an, und die Nachmittage der Sonn- und Feiertage wurden abermals die einzige
Zuflucht des cechischen Theaters.
Trotz alledem war die Zeit des Umschwungs in diesen wie in allen anderen Ver-
hältnissen Böhmens nicht mehr fern. Mit immer stärkeren Schritten kamen die Vorkämpfer
des eechoslavischen Vvlksstamms in Böhmen vorwärts; die Deutschen verloren immer
sichtbarer das seit nahezu zwei Jahrhunderten behauptete Terrain, mächtig schwellten die
slavischen Minoritäten an, von der deutschen Gesellschaft Prags bröckelten immer deutlicher
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch