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einschiffige blieben für gewöhnliche Landkirchen die Regel. Bei letzteren hielt man offenbar
in einzelnen Gegenden länger am geradlinigen Chorschlnfse fest, der jedoch schon stark hinter
dem fast ausschließlich zur Herrschaft kommenden polygonalen zurücktrat. Die Eintheilung
des Kirchen-Innern und die Gewölbe-Anordnung wurden durch die an die Außen-
wände antretenden Strebepfeiler ersichtlich, welche bei der Änderung des constructiven
Gedankens vor Allem eine statische Function zu erfüllen hatten, derb und massig gebildet,
im Pultdache abgetreppt und manchmal mit Fialenaufsätzen des obersten Giebels geziert
wurden. Die Fa^ade größerer Bauten zierte ein über dem spitzbogigen Haupteingang
angeordnetes Rund- oder mehrtheiliges Maßwerkfenster. Die Portale blieben bei wirkungs-
voller Gliederung der Leibungen zumeist ohne besonderen Schmuck. Eine vorn recht-
winkelig abgeschnittene Schräge mit darunter tief einschneidender Kehle bürgerte sich für
bestimmte Gesimsarten ein. Ordnete man zwei- oder mehrfeldrige Spitzbogenfenster an,
so besetzte man Pfosten und Wandungen mit oft zierlichen Säulchen und wählte als Maß-
werk nur Drei- und Vierpässe, während die Rundfenster wie in Goldenkron und Hohen-
fnrt sehr geschmackvoll durchgebildetes und fein componirtes Stabwerk erhielten. Die
Wölbung spannte sich nunmehr seltener über qnadratem, sondern überwiegend über
oblongem Grundriß, womit die constrnctive Verwendung des Spitzbogens sich festigte,
der in Arkadenbogen, Fensterbildnng und Portalen allmälig zur ausschließlichen Herrschaft
kam. Im Presbyterium wurden mit Vorliebe Wandsäulen, seltener bloße Consolen als
Wölbungsträger angeordnet, während man letztere in den Seitenschiffen sogar offenbar
bevorzugte. Säulenbündel fanden höchstens in Kapitelsälen, Kreuzgängen und Burg-
kapellen Verwendung. Die Schiffspfeiler entbehrten meist einer reicheren Gliederung.
Das Streben nach birnförmiger Profilirnng der Rippen verdrängte gegen das Ende
des XIII. Jahrhunderts immer stärker die romauifirenden Nachklänge der Übergangs-
bildungen. Der Nachdruck, welchen einige chronikalische Nachrichten auf die Fertigstellung
der Wölbung bestimmter unter Wenzel I. ausgeführter Werke legen, scheint darauf
hinzudeuten, daß in dieser Zeit eine neue Phase der Wölbungstechnik, die ja mit dem
Vordringen der Gothik sich gewissermaßen von selbst ergab, in Böhmen eingetreten war
und die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihre Werke lenkte, deren Vollendungszeit den
Geschichtschreibern aufzeichnungswerth däuchte. Die dekorativen Details erhielten einen
stets reicher werdenden Schmuck, der in den Knospen oder kelchsörmigen Lanbcapitälen
meist bei der Wiedergabe heimischer, nicht überladener Laubwerkmotive blieb, hier und
da aber auch ikonische Bildungen zuließ. Beide Arten fanden auch für die manchmal reicher
behandelten Schlußsteine und die eonsolenartigen Wölbungsträger, deren Capitäl und
Zapfen anfangs geschieden blieben, später aber zusammengezogen wurden, entsprechende
Verwendung.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch