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der Wölbung überdauerten und auch für die beideu Gewölbejoche der nördlich ans
Presbyterium angefügten, geradlinig schließenden Sacristei angeordnet wurden. Hohe, fast
bis zum Dach reichende Strebepfeiler, deren Körper doppelt abgetreppt ist, markiren am
Presbyterium und an der Südseite des Langhauses die Wölbungseintheilung.Das gothische
Südportal ist einfach und schmucklos, der Sacristei-Eiugaug mit Stäben und Hohlkehlen
gegliedert. Obwohl ohne reicheren plastischen Schmuck, macht besonders das Presbyterium
durch seine schlanken Verhältnisse und die zierliche Wölbungsart einen recht guten Eindruck.
Dasselbe ist deshalb vou hohem Interesse für die gothische Architektur Böhmens, weil 1407
in einem heute noch abschriftlich erhaltenen Coutract des fürstlich Schwarzenberg'fchen
Archivs in Krnman der Baumeister Johann, Neffe des Meisters Stanek, verpflichtet
wurde, den Chor der Pfarrkirche in Krumau nach Art jenes in Mühlhausen zu wölben,
womit nach einem Vergleich der Mühlhanfener Denkmale mit dem Krumauer Presbyterium
nur die Ägidikirche gemeint sein konnte. Der Chor der letzteren war wahrscheinlich uicht
lange vorher fertig geworden und hatte offenbar Beifall gefunden, da er als Muster
hingestellt wurde; vielleicht hatte Meister Stanek oder Johann selbst denselben vollendet.
Gleich dem Mühlhanfener Vorbilde ist die Krumauer Nachbildung in ziemlich
befriedigendem Zustande auf die Gegenwart gekommen. Zu Beginn des XV. Jahr-
hunderts hatte sich die durch Peter vou Rofeuberg aufgeführte Pfarrkirche der Stadt
Krumau als nicht mehr zureichend erwiesen, weßhalb man einen entsprechenden Erweite-
rungsbau beschloß, der 1407 schon so weit gediehen war, daß dem Meister Johann die Ein-
Wölbung übertragen werden konnte. Wieder steigt die reiche Wölbung des gleichfalls aus
fünf Seiten des Achtecks gezogenen Chors von ganz einfachen Capitälen der schlanken
Wandsäulen wie in Mühlhausen empor; die des Chorpolygons stimmt an beiden Orten
vollständig überein, während im übrigen Theile des Krumauer Presbyteriums der Mühl-
hausener Wölbnngsgedanke reicher entwickelt ist. Das Langhaus stellt sich als eine auf
vier Pfeilerpaaren ruheude Hallenanlage dar und hat in den hohen Fenstern der Süd-
wand besser als in den der Stadt zugekehrten das gut gearbeitete Maßwerk der Drei-,
Vier- und Fünfpässe erhalten. Bei zwei Pfeilerpaaren steigt der Körper achteckig empor,
indeß er bei den beiden anderen aus je vier einem gemeinsamen Kern vorgelegten Halb-
säulen gebildet wurde; unter dem Ansätze der Gewölbefüße tritt eine Verengung des also
beschaffenen Schaftes ein, die nach dem Analogon im Schiffe der Hohenfnrter Stiftskirche
in Südböhmen nicht unbekannt gewesen zu sein scheint, aber die Bildung der oberen
Pseilerpartien ziemlich roh gestaltet. Hier findet sich keine Beziehung zu der trotz mancher
Schwächen eleganten und geschmackvollen Pfeilerprofiliruug der Parler'schen Schule,
welcher die hohen und breiten Langhausfenster sich mit dem Streben reicher Lichtver-
mittlung nähern; die künstlerische Empfindung ist in der organisch schönen Verbindung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch