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haben insgesammt eine verwandte Gestaltung: der Schaft ist cannelirt und in die
Cannelnren der unteren Partien sind Stäbe eingelegt; mir zwei Säulen des Saales, wohl
die ältesten von allen, siud in dieser Beziehung anders gestaltet, indem ihr Schaft schrauben-
förmig gewnnden ist. Die korinthischen Capitäle mit ihren Volutenranken und Akauthus-
blättern, mit allerlei dazwischen verstreuten Rosetten, Sternchen, Lilien, Weinreben, welche
mitunter bis auf die leicht geschwungene Deckplatte hinabreichen, beknnden eine mit deu
Elementen des Renaissance-Ornamentes nnr ungefähr vertraute, ziemlich selbständig
schaffende Hand. Dieselben Formen weist auch ein reizendes Seitenportal der nahegelegene»
Georgskirche auf, welches in seinem Tympanon ein noch vollständig gothisch empsnndenes
Relief trägt. Wer der Steinmetz gewesen, dessen sich Meister Benedict bei seinen Bauten
bediente, und ob derselbe zugleich für den Urheber des Georgsportales gelten mag, ist
leider unbekannt. Ein Italiener ist er kaum gewesen, dazu sind seine Formen nicht rein
genug, aber es gab wohl damals in Prag italienische Künstler genug, welche das Ein-
dringen der neuen Kunstformen vermitteln halfen. Selbst bei den königlichen Bauten
sehen wir einen italienischen Maler Namens Roman Blach (der Wälsche) schon um das
Jahr 1500 beschäftigt. Sonst kommen Renaissancesormen, geschweige denn im Geiste der
Renaissance durchgeführte Bauten während des ersten Viertels des XVI. Jahrhunderts in
der Architektur Böhmens selten vor. Die heimischen Werkmeister, an dem traditionelle«
System festhaltend, bedienen sich nur hier und da einzelner dem neuen Stile abgelauschter
Motive. Es blieb deu italienischen Baumeistern vorbehalten, die Renaissance auch in
Böhmen voll zum Siege zu bringen, dieselben kamen jedoch erst, als der Altmeister der
Gothik, Benedict, im Jahre 1534 hochbetagt die Augen schloß, zu Worte.
Wohl wurde durch König Ferdinand I. in Bonifatius Wohlmuth für den Weiter-
bau des Schlosses und der Domkirche ein im Geiste der Gothik schaffender Baumeister
bestellt, doch gleichzeitig wurde von demselben König in nächster Nähe des Schlosses
einer förmlichen Colonie italienischer Künstler und Werkleute ein dankbares Feld für ihr
künstlerisches Schaffen aufgeschlossen. Eine Art Wundergarten sucht Ferdinand hier in
der Nähe der ernsten Burg zu seinem und seiner Gemalin Anna Vergnügen hervor-
znzanbern. Zunächst wird im Jahre 1535 Hans de Spazio beauftragt, eine Brücke
über den Hirschgraben aufzuführen und wohl auch das Terrain für den „Gartenpau"
herzustellen; ein italienischer Gärtner „Maister Francisco" unternimmt die Bepflanzung
mit „lemoni, Pomeranzen, cidroni und dergleichen", und in dem, derart zu einem italienischen
Hain verwandelten Schloßgarten reift schließlich der reizendste Bau heran, welchen die
Renaissance nördlich der Alpen aufzuweisen hat. Für diesen Bau hatte Ferdinand I.
durch seinen genuesischen Orator in der Person Paolo's della Stella de Mileto einen
hervorragenden Architekten und Plastiker gewonnen, welcher sich vordem sammt seinem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch