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verdrängt wird; dieser brachte zugleich mit dem Stabeisen neue Motive in die Schlosserei.
Auch auf diesem Gebiete verdient vor Allem die Zeit Wladislaws hervorgehoben zu werden,
uamentlich was die Feinheit und Reichhaltigkeit der Formen anlangt, welche wir besonders
an den Gittern des Sanetuariums aus dem Jahre 1492 in der Kirche zum heiligen Geist
in Königgrätz bewundern.
In der jagellonischeu Periode nimmt der gothische Stil zum großen Theile von den
Werken der Schnitzerei Abschied. Zu deu vorzüglichsten Arbeiten der Schnitzerei in Böhmen
gehören die Kircheubäuke (Chorgestühl), welche sich in Kuttenberg iu der S t .
Barbarakirche und in der dortigen Decanalkirche zum heiligen Jakob erhalten haben.
Auch manche Kanzeln und Altäre aus dem XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts zeigen
eine ähnliche architektonische Ausschmückung. In der vorgeschrittenen jagellonischeu Zeit
weicht manchmal die plastische Schnitzerei der flachen, die der Architektur keine Motive mehr
entnimmt, indem dieselben durch das flache Ornament, welches in der Malerei herrscht,
verdrängt werden. Und schließlich in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts schwindet
beim Hausgeräthe und bei den Arbeiten der Bautischlerei, wie Thüren und dergleichen, die
Schnitzerei überhaupt und ihre Stelle nimmt das Getäfel ein.
In innigem Verhältniß zur Architektur hat sich in einem Gebiete des nördlichen
Böhmens im Laufe der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts eine eigenartige decorative
Plastik entwickelt, welche, da sie anscheinend gewerbemäßig betrieben wurde, auch hier
Erwähnung verdient. Nördlich von Leitmeritz trifft man in den nicht weit von einander
entfernten Ortschaften Schwaden, Waltirsch und Schönpriesen reich ausgestattete Kirchen
an, welche durch den einheitlichen Charakter der inneren Ausschmückung und durch das
mitunter künstlerisch durchgebildete Detail anziehend wirken. Altäre und Grabmale, auch
die Kanzel und das Taufbecken haben von der Hand des Steinmetzen reichen plastischen
Schmuck erhalten, in welchem der Stil der holländischen und norddeutschen Renaissance
mit der italienischen Kunstrichtung ineinandergreifen und wie an dem prächtigen mit
reizenden Putten geschmückten Taufbecken zu Schwaden tauchen hier und da bereits
zum Barocken hinneigende Motive auf, wie sie eben der fortgeschrittenen Rudolfiuischeu
Periode eigen waren. Die Kirchen, beziehungsweise ihre Ausstattung stammen aus der
Zeit der Herreu von Salhausen, welche überall, wohin ihr Besitz reichte, Zeugnisse ihrer
Kunstliebe hinterließen. Ein Seitenstück zu diesen Steinmetzarbeiten bilden die prächtigen
Holzschnitzereien der in den Jahren 1604 bis 1606 entstandenen Schloßkapelle zu
Reichenberg, welche ähnlichen Geist und Stilcharakter offenbaren.
Im östlichen und mittleren Böhmen wurden nicht selten als architektonisches Zier-
werk Arbeiten in Terraeotta verwendet und es ist auch vorgekommen, daß hierbei dieselben
Hohlformen benützt wurden, welche auch zur Herstellung von Ofenkacheln dienten.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch