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160 Kubikmeter Rauminhalt erbaut wurden, wodurch die jährliche Roheisen-Produetion
auf 160.000 Metercentner und (nach der sehr empfindlichen Stagnation in dem Kriegs-
jahre 1866) bald darauf (1868) bis 250.000 Metercentner gesteigert wurde. Das
damals großartige Unternehmen litt bei der Verarbeitung des Roheisens zn Puddel-
Walzeiseu (welche bis dahin in dem mittlerweile erworbenen Pnddel- und Walz-Werke
„Hermannshütte" bei Nürschan vorgenommen wurde) an der bereits erwähnten Kalamität,
welche der starke Phosphorgehalt (neben Schwefel) der böhmischen (auch der Nueitzer)
Eisensteine mit sich brachte. Diese Kalamität wurde durch kostspielige Auslaugung der
gerösteten Erze, sowie durch partielle Verwendung fremder phosphorfreier Erze nach
Thunlichkeit so weit paralysirt, daß man in der Hermannshütte, seit 1868 aber auch in
einer in Kladno selbst neu erbauten Pnddel- und Walzhütte in großem Maßstabe den
damaligen Bedarf an Walzeisen (auch an Eisenbahnschienen) deckte, namentlich aber (seit
1869) die meisten Eisenbahnbrücken jener Zeit (auch außerhalb Böhmens) herstellte. Nicht
minder waren die Leistungen in der Gußwaare; so wurden in den Siebziger-Jahren für
die Wiener Hochquellenleitung die sämmtlichen Rohre nach einem damals neuen trefflichen
System (stehend) in Kladno gegossen.
Mittlerweile (bereits in den Sechziger-Jahren) hatte sich im Eisenhüttenwesen die
epochale Erfindung des Engländers Bessemer geltend gemacht nnd wurde auch in Öster-
reich, zunächst in Steiermark eingeführt. Durch den Befsemer-Proceß wurde die ungeahnt
rasche Erzeugung von Stahl direet aus Roheisen mit durchgreifendem Erfolge erzielt und
das neue Material, der Bessemerstahl, fand sofort bei der Herstellung der Eisenbahnschienen
dominirend Verwendung. Doch zum großen Nachtheil für die böhmische Eisen-Industrie
erforderte dieser moderne Frischproceß zur Verarbeitung vor Allem phosphorfreies Roh-
eisen, welches aus den böhmischen Erzen zn beschaffen eine Unmöglichkeit war. Sollte
daher Kladno mit seiner Schienenfabrikation nicht ganz zurückbleiben, so mußte man sich
dazu entschließen, denBessemer-Proeeß einzuführen, jedoch das Roheisen hierzu aus fremden
phosphorfreien Erzen zu erzeugen und sonach die Verwendung der eigenen (Nueitzer) Erze
wesentlich einzuschränken. Man unternahm das Wagestück, bezog zur Beschaffung des
Bessemer-Roheisens die Erze aus Steiermark und Baiern und eröffnete im Jahre 1875
die eben erbaute Bessemerhütte mit zwei Convertern (Bessemeröfen). Die Erzeugung von
Bessemerstahl ging zwar technisch anstandlos von statten, doch die kostspielige Erzzufuhr
aus so großen Entfernungen schädigte wesentlich die Rentabilität des Unternehmens.
Glücklicher Weise gelang es noch in den Siebziger-Jahren abermals einem
Engländer, Thomas Gilchrist mit Namen, eine Modifikation des Bessemer-Processes zu
erfinden, wobei der Phosphorgehalt des Roheisens verschlackt, also aus dem Eisen entfernt
und sonach ein tadelloses Product (Eisen oder Stahl) erzielt wurde. Es gelang dies durch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch