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Industrie und Handel.
Böhmen ist unbestritten das gewerbereichste Kronland unseres Kaiserstaates und
damit eines der größten Industriegebiete der Welt. Von 720.406 Jndnstrial- und
Handelsgewerben, welche nach den uns vorliegenden jüngsten statistischen Ausweisen
in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern gezählt werden, entfallen
nicht weniger als 225.170, somit 31 25 Procent, auf Böhmen, und zwar 94.367 oder
29 36 Procent Handels- und 130.803 oder 32 77 Procent Jndustrialgewerbe.
Nahezu der dritte Theil aller selbständigen industriellen Unternehmungen Österreichs
hat seinen Standort in Böhmen: eine Thatsache, die ihre volle Würdigung leider noch
nie und nirgends gefunden hat. Sie erscheint aber um so beträchtlicher, wenn der Umfang,
die Bedeutung der einzelnen Unternehmungen mit in Rechnung gezogen wird.
Es dürfte nur wenige Industriezweige geben, welche auf böhmischem Boden nicht in
hervorragendem Maße vertreten wären. Die Produktion von Metall und Metall-
waaren ist eine sehr ansehnliche und darf sich mit jener der meisten anderen Länder
messen; die Maschinenindustrie ist in erfreulichem Aufschwünge begriffen. In gleicher
Weise wie das „böhmische Glas" haben die „böhmischen Steine" ihren Weltruf
behauptet. Siderolith- und Porzellanwaaren sind eine Specialität des Landes.
In der Bearbeitung von Holz und Leder wird Vorzügliches geleistet. Die Papier-
industrie steht auf der Höhe der Zeit und liefert große Exportmengen; ebenso die
chemische Industrie und die Fabrikation aller Art von Nahrungsmitteln. Von 558
fabriksmäßigen Bierbrauereien Österreichs entfallen 249 — die renommirtesten — auf
Böhmen; von 213 Zuckerfabriken und Raffinerien 145, gleichfalls die leistungsfähigsten.
Ähnlich verhält es sich mit der Branntweinerzeugung, derProductiou vouKaffeefurrogaten,
Chokoladen u. s. w.
Den höchsten Grad der Vervollkommnung hat Böhmen auf dem so ausgedehnten
Felde der Textilindustrie aufzuweisen. Mit Ausnahme der Seide gibt es keinen
modernen Spinnstoff, in dessen Verarbeitung die böhmische Spinnerei, Weberei und
Appretur nicht excellirte. Das nördliche Böhmen allein zählt effektiv mehr Flachsgarn-
spindeln als das gesammte Deutsche Reich. Die Zahl der Streichgarn- und Kammgarn-
spindeln beläuft sich auf 250.000, die der Baumwollspindeln auf weit über anderthalb
Millionen. Bei der Schafwollindustrie stehen 15.000, bei der Baumwollindustrie
35.000 mechanische Webstühle im Betriebe. Viele Etablissements der Färberei und
Druckerei gehören zu den großartigsten des Continentes. Böhmens Textilindustrie
beschäftigt — gering gerechnet — eine Armee von 150.000 Arbeitern; ihr Productious-
werth wird, von der Hausindustrie ganz abgesehen, mit 212,685.000 Gulden beziffert.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch