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Auf die Höhe seiner Entwicklung wurde das mittelalterliche Städtewesen in Böhmen
uud mit ihm der gewerbliche Betrieb des Landes durch König Johann nnd Karl IV.,
zugleich Kaiser, gebracht. Schon Ludwig der Baier hatte (1330) als römischer König den
Prager Bürgern völlige Zollbefreiung im Umfange des ganzen Reiches zugestanden.
Nunmehr erhielt der böhmische Handel durch die Verfügung, daß jeder fremde Kaufmann,
der nach Böhmen und Mähren kommt, seine Waare nur iu Prag zum Kaufe ausbieten
dürfe, einen Centralpuukt. Der Prager Teyuhof wurde eine europäische Berühmtheit
durch die Lebhaftigkeit seines Verkehrs. Neben Prag aber gelangten die Städte Aussig,
Brüx, Budweis, Caslau, Hohenmauth, Kaaden, Köuiggrätz, Laun, Leitmeritz,
Melnik, Pilsen n. s. w., mit königlichen Gnaden überhäuft, zu Ansehen und Reichthum.
Durch neuerlichen Zuzug aus Deutschland und Italien erfuhr zumal das Kunst-
gewerbe Prags ansehnliche Verstärkung. Venetianer und Lombarden brachten die Metall-
gießerei mit. Zahlreiche Kirchenbauten förderten das Baugewerbe in bisher ungeahnter
Weise. Die Bearbeitung von Steinen, auch Halbedelsteinen, an denen das Land großen
Überfluß hatte, wurde daselbst heimisch, so auch die Glasbearbeitung und die Glas-
malerei. Eine Urkunde Karls IV. bezeugt den Bestand und Betrieb von Glashütten in den
angrenzenden Gebieten, die unter ihm vorübergehend mit Böhmen vereinigt waren. Er
verbot die fernere Anlegung von Glasöfen in den Reichsforsten um Nürnberg, da die
Waldungen durch deu übermäßigen Verbrauch von Holz ungemein leiden. Dadurch wird
bestätigt, was mit Berufung auf gruudbücherliche Eintragungen behauptet wird, daß sich
zu jener Zeit auch schon in Böhmen selbst, wie z. B. in Prachatitz, unter den dortigen
Bürgern Glasmacher (vitriarü) befanden. Richter und Schöppen zu Prag bestätigten am
15. December 1371 die erste Zunftordnung der „Kannelgießer" (Zinngießer) daselbst,
welches Gewerbe später im böhmischen Erzgebirge, den Zinnfundstätten Schlaggenwald,
Schönfeld, Graupen u. s. w., sowie in Karlsbad eine bedeutende Rolle spielte.
Die Leinenweberei, der es gleichfalls im Lande nicht an vortrefflichem Rohstoff
fehlte, fand namentlich in den Gebirgsgegenden Verbreitung. Sie wurde, wie die Tnch-
erzeuguug, durch die Färberei — wie es scheint, ebenso von Karl IV. eingeführt —
außerordentlich gefördert. In Prag, Pilsen, Braunau, Königgrätz und Kuttenberg ist zu
dieser Zeit der Bestand von Tuchwalken sichergestellt. So dankt wohl auch die Papier-
industrie Böhmens ihre Entstehung dem genannten Kaiser; angeblich von ihm berufene
Italiener gaben die Anleitung zur Erbauung von Papiermühlen. Als die erste derselben
wird die zu Eger bezeichnet, der seit dem Jahre 1322 an die Krone Böhmen endgiltig
verpfändeten alten Reichsstadt.
Der Stadt Eger hatte bereits Ottokar II. (1266) gänzliche Zollfreiheit „in
allen seinen Landen" gewährt und der römische König Rudolf I. unter vielen anderen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch