Seite - 606 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 606 -
Text der Seite - 606 -
606
Gegen die Wende des Jahrhunderts kam ein neues, viel versprechendes Kunst-
gewerbe auch nach Böhmen: die Buchdruckerkunst. Ein Deutschböhme, der Egerauer
Johann Sensenschmid, errichtete die älteste Buchdruckerei in Nürnberg. Ein Drucker
seiner Werkstätte übersiedelte im Jahre 1468 nach Pilsen, um dort die erste Druckerei iu
Böhmen zu begründen. Bald fand die mit Begierde aufgegriffene Neuheit ihren Weg nach
Prag, Eger und Kuttenberg. Die Strömung der Zeit war ihr günstig. Freilich waren
es zunächst vorwiegend theologische Schriften, die sie hervorbrachte. Die „böhmischen
Brüder" ließen später auch iu kleineren Landstädten, wie Arnau, Jungbnnzlan,
Leitomischl u. a. m., Buchdruckereien erstehen. Ihr schrittweiser, jedoch nachhaltiger
Einfluß in geistiger und materieller Richtung darf nicht unterschätzt werden.
Die Verbreitung der Papiererzeugung war eine unmittelbare Folge. Die Zahl
der Papiermühlen ist fortwährend im Wachsen. Unter ihnen kommen im XVI. Jahrhundert
besonders die von Bensen, Aussig und Trantenan zu Bedeutung.
Wie die Hnsitenkriege alle Rechtsverhältnisse ins Schwanken gebracht hatten, so auch
das ausschließliche Recht der Städte seit den ältesten Zeiten, die Bräugerechtigkeit, ie
ergiebigste Einnahmequelle des mittelalterlichen Bürgerthums. Nun maßte sich auch
der Adel dieses Recht au. Ein langwieriger heftiger Streit entbrannte, der erst mit dem
sogenannten St. Wenzelsvertrage (1517) beigelegt wurde, in welchem die Städte nachzugeben
uud ihr Privilegium mit dem Adel zu theilen gezwungen wurden. Ein harter Schlag!
Hier muß des chronologischen Zusammenhanges wegen eine Thatsache Erwähnung
finden, die für das schon erwähnte böhmische „Niederland" von ausschlaggebender Wirkung
werden sollte. Ein deutscher Edelmann, Heinrich von Schleinitz, hatte daselbst gegen
Ende des Jahrhunderts dieHerrschaftenT ollen st ein, Schlnckenau, Rumburg u. s. w.
mit einander vereinigt. Nach ihm erhielt der schöne, meilenweite Besitz den Namen des
„Schleinitzer Ländchens". Schon Heinrichs Vater, Hngold von Schleinitz, kurfürstlich-
sächsischer Obermarschall, hatte in Schluckeuau Verkehr und Handel zu beleben gewußt.
Heinrich ging weiter und wendete seine größte Sorgfalt der Hebung des Gewerbes zu,
insbesondere der Leinenweberei. Durch ihn wurden sowohl in Schlnckenau (1500) als
anch in Rumburg Leinenweberinnungen gegründet und privilegirt — unseres Wissens
die ältesten im Lande. Das „Schleinitzer Ländchen" aber dankte diesen Gründungen eine
gewerbliche Eigenart, die bis auf die Gegenwart seine Haupteinnahmequelle bilden sollte.
Im Übrigen war das Siechthum der gewerblichen und merkantilen Interessen in
Böhmen ein andauerndes und allgemeines. Gewiß nicht blos infolge des unseligen
Krieges, von dem die Rede war, auch die politische und nationale Jsolirnng des Landes
während jener Wirren hatte ihren Theil daran und ließ die kaufmännische Unternehmungs-
lust nicht aufkommen, die Grundbedingung alles gewerblichen Könnens und Schaffens,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch