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Die Kompetenz dieser Körperschaft, einer Art Gewerbebehörde höchster Instanz, erstreckte
sich auf alle Provinzen des Kaiserstaates, somit auch auf Böhmen. An ihrer Spitze stand
Hofkammer-Präsident Georg Ludwig Graf Siuzeudorf , später (seit 1672) königlich
böhmischer Kammerpräsident. Er ließ sich herbei, auf seinen Herrschaften in Niederöster-
reich Seiden- und Seidenbandsabriken einzurichten und in Gang zu erhalten. Der Unter-
nehmer hatte aber auf die Dauer keiueu Erfolg. Vou der Absicht, denselben neuen
Industriezweig in Prag einzubürgern, wurde unter solchen Verhältnissen Umgang
genommen. Noch weniger als in der Landeshauptstadt erreichten außerhalb derselben
ähnliche Versuche der allernächsten Zeit ihren Zweck. Selbst in den königlichen Städten
war von Aufschwung überhaupt nicht die Spur zu finden. Geradezu trostlos war es im
Allgemeinen um die unterthäuigeu Ortschaften bestellt. Der kleine Gewerbsmann erlag
unter den schweren Lasten, die ihm vom Grundherrn aufgenöthigt wurden.
Auch schwere Schicksalsschläge blieben nicht ans. Die grauenvolle, mörderische Pest,
die Böhmen im Jahre 1680 heimsuchte, verschonte kaum eine Stadt, ja nur wenige
Dörfer. Der große Bauernaufstand desselben Jahres — ein Aufschrei der Bedrängtesten
unter den Bedrängten — bezeugte nur zu deutlich, wie unhaltbar die Stellung der
Besitzenden den Massen gegenüber bereits geworden war. Man wird den allgemeinen
gewerblichen Stillstand begreiflich finden, nmfomehr aber den Muth und die Ausdauer,
die Widerstandsfähigkeit und die Schaffenskraft bewundern, mit welcher in einzelnen Orten,
wie namentlich in Reichenberg, trotz alledem auch unter solchen Umständen, wenn nicht
die Gesammtheit der Gewerbe, so doch einzelne unter ihnen, wie die Leinenweber uud
Tuchmacher, fortwährend nicht nur an Umfang, sondern entschieden auch an Tüchtigkeit
der Leistung zuuahmen. Wohl sind das, um mit Buckle zu sprechen, Zeugnisse von „Helden-
thaten der civilen Entwicklung".
Nächst Reichenberg hatte zur Zeit das Tuchmachergewerbe besonders in Braunau ,
Pilsen, Leipa und Jungbunzlau einen größerenRuf erlangt, die Leinenweberei aber —
von Rumburg-Schluckeuau abgesehen — in Friedland, Arnau, Hoheuelbe, Pi lnikau
und Freiheit , in welcher letzteren Bergstadt erst seit 1655 eine Zunft der „Züchuer und
Leinenweber", entsprechend dem „Artikelbriefe" der Pilnikauer Lade errichtet worden war,
um schon im Jahre 1688 auf Grund eines neuen, umfassenden Statuts in ein „ehrsames
Handwerk der Züchner, Tripner, Barchner und Leinwandweber" erweitert zu werden.
Aus den genannten Städten nahm der Leinenstuhl in die umliegenden Dörfer seinen
Einzug. Vom Riesen- und Jsergebirge trat er seine Wanderung ins Flachland an.
Damals vollzog sich im böhmischen Niederlande ein eigenthümlicher Proceß. Im
Jahre 1669 hatten sich dort, in Kreibitz, die Glasmaler und Glasschneider veranlaßt
gesehen, zur Bildung einer ..vollkommenen Innung, Zunft und Zeche" zu schreiten,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch