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die nichts zu arbeiten hatten, mit Spinn- und Spnlrädern, Reiß- und Krempelkämmen
und audereu damals iu der gauzen Gegend unbekannten und vorher noch nie gesehenen
Gerätschaften, die Brot einbrachten, und endlich mit den Wirkstühlen nach und nach
bekannt wurden". In kurzer Zeit waren auf der Herrschaft Ossegg, sowie in Dnx, Ober-
lentensdors n. f. w. an fünfzig „ausgelernte" Strumpfwirker vorhanden. In Ossegg
selbst wurde im Jahre 1697 eine Wollenstrumpffabrik errichtet, anfänglich mit neun, dann
fünfzehn „eisernen Wirkstühlen, von denen ein jeder 135 Thaler kostete und nach Abschlag
aller Kosten einen jährlichen Nutzen von 100 Gnlden abwarf". Es folgte durch Berufung
eines zweiten erprobten Handwerkers, des Zeugwebers Gottfried Schrücker (1708), die
Etabliruug einer zweiten „Stiftsfabrik" in Ossegg, einer Zeugfabrik, die sich — das uoch
bestehende Gebäude, welches ursprünglich anderen Zwecken gedient haben mußte, trägt über
dem Eingang außer der Initiale des Namens Laurentius (Scipio), des Vorgängers
Benedikt Litwehrichs in der Würde eines Ossegger Prälaten, die Jahreszahl 1677 —
bis ans den heutigen Tag erhalten hat.
Dergleichen Erfolge konnten nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit auch der oberen
Kreise auf sich zu lenken, in denen ja doch wirthschaftliche Angelegenheiten nicht mehr wie
sonst als „Bagatellsachen" behandelt wurden. Beweis dessen das Commercien-Collegium
in Wien und fast noch mehr das damals erschienene, seither vielberufene Buch Philipp
Wilhelm von Hörnigks „Österreich über Alles, wenn es nnr will" (1684). Mit vielem
Nachdruck war in zahlreichen Stellen dieser vortrefflichen Schrift zum erstenmal auch die
große commercielle Bedeutung Böhmens — „Tentsch-Böhmens" — hervorgehoben
worden. Und wenn in Böhmen, heißt es daselbst, „die Leute ebenfalls wenig von ihrem
Fleiß uud Emsigkeit zu entrathen haben: so stecken herentgegen die Gebirge — Tentsch-
Böhmen — voll nahrhafter, grundarbeitsamer Leute". Auf die Frage, „welcher Orten in
den Erblanden jede Mannfactnr hin zn verlegen", antwortet Hörnigk immer wieder mit
dem Hinweise auf „Teutfch-Böhmen". Mit der Leinenmannfactnr hätte es dort „bereits
seine Wege von selbst genommen", und „gleiche Bewandtniß hat es mit der Tnchmacherei
in Schlesien, Teutsch-Böhmeu und Mähren"; ebenso wäre seines Bedünkens „die Wollen-
Zengmacherei in Böhmen und Schlesien zu legen".
Auf speciellen kaiserlichen Befehl wnrde denn auch in Böhmen noch vor Ausgang
des Jahrhunderts eine „Eameral-Depntation" eingesetzt, der genau dieselbe Aufgabe zufiel,
wie jenem Wiener Commercien-Collegium. „Auf Insinuation der damals sürgewesten
hohen Cameral-Deputation" forderte Leopold I. im Jahre 1698 von dem Prager
Gnberninm ein Gutachten „in materia circulucionis peeuniae und Jntrodnction deren
Commercien, auch Manufactnren". Damit wird in der Geschichte böhmischer Gewerbe
eine neue Epoche eingeleitet. Das Eis war gebrochen. Von nun an verschwindet
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch