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daß sie in Volks- und staatswirthschaftlichen Angelegenheiten einen weiteren Blick bekundete
und nach besten Kräften anch zu bethätigen suchte, insbesondere nach Beendigung des
Türkenkrieges, der durch den Frieden von Passarowitz (17 l8) gekrönt wurde, dein ein
neuer Haudelstractat mit der Pforte auf dem Fuße folgte. Die Errichtung einer „Orien-
talischen (levantinischen) Compagnie" und die Erklärung der Städte Trieft und
Finine zu Freihafen sollten die gewonnenen Errungenschaften verwerthen helfen.
Nur allzubald mußte man zur Erkenntniß kommen, daß weder Handelsverträge noch
Handelscompagnien, Freihafen und dergleichen den Verkehr beleben und die Staats-
finanzen zu stärken vermögen ohne eine handelstüchtige heimische Industrie. Wohl aber
waren. Dank einer kräftigen Unterstützung seitens der Regiernng, bisher in Jnnerösterreich,
in Fiume u. s. w. einzelne Jndustrialwerke entstanden; auch die Provinz Schlesien war
in mercantiler Hinsicht merklich vorgeschritten: im großen Ganzen konnte das Geschaffene
keineswegs genügen; vorzüglich ließ Böhmen — aller Ruhmredigkeit zum Trotz — noch
unendlich viel zu wünschen übrig.
Mit Hofrefcript vom 2. November 17 l4 war hier nach Überwindung vieler
Schwierigkeiten etwas Ähnliches wie ein von Borscheck beantragter „Eommercienrath",
ein ständiges „Commerz-Collegium" geschaffen worden, auch „Mauufactur-Collegium"
genannt; Hofrath vou Deblin hatte das endlich mit den böhmischen Ständen vereinbart.
Die Errichtung vou Jndnstrialien blieb nach wie vor fast ausnahmslos den Privaten
überlassen. Einer der Eifrigsten unter ihnen war in jenen Tagen Johann B. Fremmrich.
Er baute, der Erste in Böhmen, mit Hilfe des Grafen Adolf Bernhard von Martinitz
bereits im Jahre 1710 eine förmliche Tuchfabrik, und zwar in Planitz (Kreis Klattan).
Er erbot sich dem Kaiser, mehrere derartige Fabriken im Lande zu errichten, vorausgesetzt,
daß ihm gestattet werde, sowohl in Prag als auch in anderen Landeshauptstädten des
Reiches öffentliche Niederlagen zu halte». Die betheiligten Zünfte, deshalb befragt,
widersetzten sich mit Lebhaftigkeit, ja nicht ohne persönliche Beleidigungen gegen den ihnen
persönlich ganz unbekannten Bewerber. Fremmrich bewies dem Mercantil-Eolleginm durch
Vorlage zahlreicher Probe» selbsterzeugter hochfeiner Tuche, was er zu leisten vermöge;
das Collegium rieth deshalb auf Gewährung seiner Bitte ein. Fremmrich erbaute anf
eigene Faust im Jahre 1716 eine zweite Tuchfabrik, u»d zwar in Böhmisch Leipa.
Damals wurde nach Zengniß des Manufactur Eollegiums die Tuchmacherei iu
68 Städten und Märkten Böhmens betrieben, von denen 34 eine Jahresproduktion von
6715 Stück, 29 aber eine solche von 41.429 Stück, das sind 1,242.810 Ellen Tuch,
auswiesen, im Werthe von 30 Kreuzer bis 3 Gulden per Elle. Die Reichenberger
Zunft allein war daran mit einer jährlichen Erzeugung von mehr als 12.000 Stück
betheiligt. Ihr zunächst standen die Zünfte in Neuhaus mit 8000, Fr i edla»d mit 4000,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch