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Dagegen faßte das Baumwollgcwerbe bald darauf in nicht zu großer Entfernung
von Grottau, in Warnsdorf , sicheren Fnß. Es steht fest, daß man bereits im Jahre
1726, zur selben Zeit, als die Wiener orientalische Compagnie zu Schwechat eine große,
wohlprivilegirte Cottonfabrik gründete, in Warnsdorf, dem heutige» namhaften Sitze
eines ganz eigenartigen Zweiges der Banmwollindnstrie von bedeutendem Umfange, nicht
nur „Gezogenes" (Damast) und Zwillich, sondern auch „Schäker" nnd Canevas arbeitete,
welche Waaren in Prag guten Absatz fanden. Schon in der nächsten Folge werden in
Warnsdorf selbst zahlreiche Verleger genannt, deren jeder eine größere oder geringere
Zahl Weber mit der Herstellung bestrenommirter „Warnsdorfer Stoffe" beschäftigte.
Doch nicht die Textilindustrie allein wies nnter Karl VI. einen erfreulichen
Aufschwung nach. Es muß hier auch der Einführung eines anderen neuen Industriezweiges
gedacht werden, dem gegenwärtig viele Tausende ihreu Lebensunterhalt verdanken: der
Eompositionsbrennerei. Die in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts von
Novensko nach Turn au übersiedelte Steinschneiderei war durch den dreißigjährigen Krieg
und seine Folgen in schwere Mitleidenschaft gezogen worden. Durch die Erfindung des
sogenannten venetianifchen Glas- und Goldflusses, der „Compositionssteine", wurde jenes
Gewerbe gegen Ausgang des Jahrhunderts vollends lahmgelegt. Die außerordentliche
Wohlfeilheit und täuschende Ähnlichkeit der unechten „welschen Steine" mit den echten
„harten Steinen" verschaffte ersteren in Kürze eine ungeheuere Verbreitung und verdrängte
letztere auf lange Zeit beinahe ganz vom Markte. Da gelang es nach vielen Bemühungen
zwei Turnauer Bürgern, den Gebrüdern Wenzel und Franz Fischer, im Jahre 1711
gleichfalls Compositionssteine zu brennen, von welchem Zeitpunkte dieser Industrie- und
Handelsartikel einen neuen Aufschwung der genannten Stadt und ihrer Umgebung
begründete. Die „böhmischen Bril lanten", wie man die Turnauer Imitationen echter
Edelsteine nannte, waren bald gesuchter als der venetianische Goldfluß, nnd alljährlich
kamen zahlreiche Handelsleute, selbst aus London, Paris und Neapel, nach Tnrnan, um
dort bedeutende Geschäfte abzuschließen. Neben den Eomposiiionsbrennern aber wußten
sich anch die eigentlichen Steinschneider in Tnrnan zu behaupten. Sie schlössen sich nun
erst iu eiue förmliche Zunft zusammen als ,kralrstvc» svvdoäneliv kunslu Sleinsclmoi-
ärovslcölio", welche Bezeichunng den ursprünglich deutschen Charakter dieser Kuust wohl
hiulänglich verräth. Das Statut trägt das Datum des 10. Mai 1715. Ihm wurden
1729 die Artikel einer gleichen Zunft auf dem Dominium der Grafen Desfonrs, später
(1747 und 1753) jene einer solchen auf den Besitzungen der Grafen Waldstein
nachgebildet.
Auch in den benachbarten Jndnstriebezirken, namentlich denen von Gablonz-Tann-
wald, war man indessen nicht stehen geblieben. Die dort seit zwei Jahrhunderten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch