Seite - 631 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 631 -
Text der Seite - 631 -
631
Durchführung. Alle Gesellenbrüderschaften und selbständigen Gesellenladen wurden
abgeschafft. Zahlreiche neue Zünfte entstanden auf Gruud der neuen Ordnung der Dinge.
Der consessionelle Charakter des Zunftwesens blieb bestehen oder erfuhr vielmehr eine
womöglich uoch schärfere Betonung als jemals. Darau wurde auch durch die in weiterer
Ausführung des „General-Handwerks-Patentes" am 5 Januar 1739 erlassenen „General-
Znnfts-Artiknlen" nichts geändert.
War das entschieden ein schweres Heminuiß für die Ausbreitung und Förderung
des Handels und der Gewerbe in allen Provinzen des damals mehr als heute aus-
gedehnte» österreichischen Läudereomplexes, so konnte bei dem Umstände, daß beinahe
jedes dieser Länder für sich ein eigenes Zollgebiet darstellte und von den übrigen
Reichstheilen durch Zoll- und Manthschranken abgesperrt erschien — im Jahre 1737
(17. September) ersloß ein neues umfangreiches Zol lmandat für Böhmen, selbst-
verständlich in streng protectionistischem, fiskalischem Sinne — von einer einheitlichen
Zoll- und Handelspolitik und darum auch von einem gesammt-österreichischeu Handel
im Grunde uicht die Rede sein. Ungünstige Momente anderer Art traten hinzu,
die weitgehenden Pläne Kaiser Karls VI. in mercautiler Richtung zuin Scheitern zu
bringen. Als er die Augen schloß, war seine größte wirthschaftliche Schöpfung, die
Orientalische Compagnie, die für Böhmen niemals irgend welche Bedeutung erlangt hatte,
in voller Auflösung begriffen. Dagegen galt mit Recht schon unter Karl VI. Schlesien
als das ergiebigste und blühendste, ja selbst als „eines der wichtigsten europäischen
Handels- uud Industriegebiete". Nach beiden Richtungen befand sich Böhmen in voll-
ständiger Abhängigkeit von Schlesien. Man ermißt daraus die Schwere des Schlages,
welchen die Monarchie, vorzüglich aber Böhmen, durch die Losreißuug Schlesiens zu
erleiden hatte.
Der österreichische Erbfolgekrieg, zumal die beiden ersten schleichen Kriege, brachte«
den gewerblichen Betrieb in Böhmen wieder ins Stocken, der Frieden aber, die Besieglnng
des Verlustes von Schlesien, brachte Gewerbe und Handel Böhmens an den Rand des
Verderbens. Eine Katastrophe war heraufbeschwöre», die überdauern zn können die
Betheiligten kaum für deutbar hielten. Die Bedeutung der vollzogenen Thatsache erkannte
Niemand besser und gründlicher als die, welche der Verlust so recht eigentlich unmittelbar
getroffen hatte: die Erbiu Kaiser Karls VI., die jugendliche, hart geprüfte, doch nicht
gebeugte geniale Mar i a Theresia.
Und sie verstand es, die Wunden zu heile«, die dem Laude geschlagen worden, ja
noch mehr: sie fand die Mittel und Wege, jenen Verlust sogar iu Gewiuu umzusetzen.
Es ist keine Übertreibung, wenn behauptet wird, daß Böhme» i» bleibender Verbindung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch