Seite - 642 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 642 -
Text der Seite - 642 -
642
der Gewerbe, einen entscheidenden Einfluß aus — einen directen, persönlichen Einfluß,
der seine Wirkung nicht verfehlte. Aus eigenster Anschauung sucht er die Verhältnisse
kennen zu lernen, der Kaiserinmutter seine Reformvorschläge zu unterbreiten. Beinahe
Jahr für Jahr kommt er nach Böhmen, immer tiefer in die Eigenthümlichkeiten des
Landes einzudringen, und noch nach Jahren nennt er sich gleichwohl nicht geschickt genug,
über das Wahrgenommene „einen so viel als möglich klaren Bericht zu geben"; er sei
ja doch, bedauert seine Bescheidenheit, „in diesen Landeseinrichtungssachen ein roher,
unerfahrener und allein mit etwas gutem Willeu begabter Rekrut." Seine Berichte aber
lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig, sie sind durchglüht von edelster Wärme und
unerschöpflich an praktischen Humanitären Anregungen . . .
Wir fahren fort in der schlichten Aufzählung nackter Thatsachen innerhalb der uns
gezogenen engen Grenzen. Der gekennzeichnete Fortschritt Böhmens war ein nachhaltiger,
obwohl es, wie selbstverständlich, auch späterhin an Störungen nicht fehlte. Auf allen
gewerblichen Gebieten gab sich gleichzeitig derselbe geschäftige Drang nach vorwärts,
derselbe rege, lebhafte Wetteifer kund. Die Seele des Ganzen war, wie sonst, Graf
Josef M. Kiusky, der Commerzpräsident. Durch ihn erfuhr das Mauufaeturhaus in
Weißwasser, auf das er große Hoffnungen setzte, noch im Entstehen eine bedeutende
Erweiterung auf Grund eines von Seite der Kaiserin genehmigten umfassenden Statuts.
Neben der „Handlungs-Coufrateruität" in Trantenan entstand eine zweite „privilegirte
Handlungscompagnie", und zwar vorwiegend „zur Pflege des spanischen Leinwand-
handels". Sitz der Gesellschaft war Neuschloß bei Arnan, welche Stadt dadurch unter
den nordböhmischen Handelsplätzen in die vorderste Reihe gerückt wurde.
Um eben diese Zeit berief Graf Kinsky einen schweizer Meister nach Hohenelbe
zur Einrichtung einer Webeschule auf Regierungskosten: der ersten im Lande. Im
Jahre 1768 waren daselbst 19 Stühle im Gange, auf welchen 228 Stück feiner und
feinster Leinwanden erzeugt wurden. Wohl gleichfalls nur auf Kiusky's Veranstaltung
hatte sich vordem in P r a g eine Gesellschaft adeliger Herren zusammeugesnnden, um dort
eine größere Seidenstoff-Fabrik bauen zu lassen, zur Freude der Kaiserin, welche gerade
diesen Industriezweig vor Allem gefördert wissen wollte. Auch bürgerliche Unternehmer
wagten es schon in größerer Zahl, offenbar im Vertrauen auf den Rückhalt, den ihnen
Kinsky gewährte, an die Gründung von Fabriken zu gehen. In B r a u n a u errichtete
I. Schreiber eine Tuchfabrik, der Wiener Kaufmann Jakob Matthias Schmidt im
Verein mit Anderen in Nengedein eine bestausgestattete Zeugfabrik (1768), die in
Bälde alle ähnlichen Etablissements im Lande überholte. Der fortdauernden Auswanderung
der Glasarbeiter zu steuern, genügten, wie Kinsky sehr wohl einsah, auch nicht die strengsten
Verbote. Ein Hosdecret setzte auf die „Entdeckung eines Rädelsführers und Anwerbers
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch