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Industrie, als deren gesuchtester Vertreter Georg Michael Reyh zu betrachten war, ein
Kunstweber von seltener Geschicklichkeit. Eine von ihm erfundene „neuartige Maschine zur
Erzeugung der Monsseline" (1779) fand allgemeinen Anklang. Es wurde ihm aus der
Prager Cameralbank eine Remuneration verliehen, „daß er einem und dem anderen
Weber von dem Gebrauche dieser Maschine unentgeltlich Unterricht gebe". In Verbindung
mit Christoph Holleruug brachte Reyh seine Heimat Roßbach bald in Ruf. Die
Übersiedlung Holleruugs in das benachbarte Asch verpflanzte sein Gewerbe auch dahin.
Auch Warnsdorf blieb in der Baumwollmauufactur nicht zurück, ohne dieselbe bis nun
fabriksmäßig zu betreiben. Das Beste aber leistete dieser Platz noch immer in der Leinen-
weberei. Und unter allen Meistern dieses Faches das Allerbeste produeirte Zacharias
Jarschel, eine Berühmtheit seiner Zeit. Seine hochfeine Leinwand wurde vom Ausland
nicht übertroffen. Als Kaiser Josef II. am 19. September 1779 in Warnsdorf weilte,
schenkte er auch der Werkstatt Meister Jarschels die Ehre seines Besuches und überhäufte
dessen Arbeiten mit Lob, sowohl die fertigen als auch die auf dem Stuhle; er trug ihm
eine große Bestellung nach Wien auf, die reichlich bezahlt wurde. Auf Zacharias Jarschel
aber folgte Josef Stol le , Begründer der Firma „Gebrüder Stol le" in Warnsdorf,
deren „gezogene Tischzeuge" — Leinen- und Baumwollgewebe — als vollendete Muster
der Gediegenheit und des guten Geschmacks bewundert wurden. Zu dieser Zeit entstanden
in Kuttenberg, Rakonitz und anderwärts größere und kleinere Baumwollzeugfabriken.
Eine neue kräftige Stütze faud die böhmische Industrie in dem Grafen Heinrich
Franz von Rottenhann, seit 1767 Gubernialrath, später (1791 bis 1792) Oberstburggraf
in Prag. Ein hochbegabter, für alles Gute und Schöne begeisterter, kenntuißreicher Cavalier,
war er vom Grafen Josef M. Kinsky der eameralistischen Richtung gewonnen worden.
Unter werkthätiger Anleitung seines väterlichen Freundes gründete Rottenhann auf seiner
Herrschaft Rothenhaus , am Fuße des Erzgebirges, das Eisenwerk „Gabrielahütte" und
einen Eisenhammer bei Kalich, bald darauf aber eine „Cotton-, Mousseliu-, Barchent-
uud Piquefabrik" in großem Umfange, durchwegs mit den vortrefflichsten Hilssmaschinen
und den bestgeschulten Werkmeistern ausgestattet. Ihr folgte eine nicht minder groß
angelegte Banmwollzeugfabrik auf der gleichfalls Rottenhann'schen Herrschaft Gemnischt
(Postnpitz) im Kaurimer Kreise. — Am 17. April 1780 starb Graf Josef M. Kinsky
inmitten seiner unermüdlichen, aufopfernden Thätigkeit. Nie wieder hat ein Einzelner für
Böhmens Industrie so viel gethan wie Kinsky. Die Stadt Haida und der Haidaer Glas-
district allein sind ein unvergängliches Denkmal seines selbstlosen, segensreichen Wirkens.
Auch Maria Theresia, die große Kaiserin, legte sich zur ewigen Ruhe. Alsbald
ging Josef II., Alleinherrscher, an die Verwirklichung seiner eigensten Pläne. Das
Toleranzpatent und die Aufhebung der Leibeigenschaft kamen, wie nicht erst
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch