Seite - 648 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 648 -
Text der Seite - 648 -
648
ausgeführt zu werden braucht, der gewerblichen Entwicklung ungemein zustatten. Die
gewaltige, unnatürliche Scheidewand, die Österreich von der Außenwelt getrennt hatte,
war niedergerissen nnd damit zugleich das Material geschaffen, die tiefe Kluft, die im
Innern die große Masse der Consnmenten von den Producenten abgeschlossen hatte,
allmälig auszufüllen. Österreichs Völker waren an Leib und Seele müudig erklärt.
Die nächsten Jahre galten in erster Linie der Durchführung der großen Neuerungen.
Die streng materiellen Interessen blieben darum nicht unberücksichtigt. Sie hatten beim
Gubernium nach Rottenhanns zeitweiligem Abgang in Gnbernialrath Josef Anton von
Riegger (geboren 1741, gestorben 1795) einen ebenso eifrigen wie vielseitig gebildeten
Anwalt gefunden. Beweis dessen die zahlreichen gediegenen Referate, die er dort über
commercielle Fragen erstattete. Zugleich das schwierige Amt eines Büchercensors bekleidend,
wandte er ein besonderes Augenmerk der Lage der Buchdruckerei und des Buchhandels
zu. Beide Erwerbszweige datireu in Böhmen den Ausgangspunkt ihrer modernen
Entwicklung von dieser Zeit. Unter den folgenden Verordnungen Josefs II. steht das Patent
vom 27. August 1784 obeuau, eine „Allgemeine Zol lordnung" — „zur Empor-
bringnng der inländischen Erzeugnisse und der Herrschaft des Luxus uud der Mode eiueu
Damm zu setzen." Das, wie gezeigt worden, längst vorbereitete Prohibitivsystem war
besiegelt: das allgemeine Verbot der Einfuhr fremdländischer Waaren, insbesondere aller
jener, „welche genugsam in den k. k. Erblanden sabricirt werden oder sonst leicht entbehrlich
sind". Ju vielen Punkten uoch verschärft, folgte im Jahre 1788 ein neuer „Allgemeiner
Zolltarif", bis auf weiteres die Grundlage der österreichischen Zollverfassung.
Geschützt und gesichert gegen auswärtige Eoucurrenz, sollten Gewerbe und Handel
innerhalb der Reichsgrenzen sich um so ungezwungener bewegen. Die noch bestehenden
Leinenweberzünfte wurden aufgehoben, ebenso das Handwerk der Strumpfstricker für
„unbezünftet", der Leinwandhandel aber für völlig frei erklärt. Zur Förderung einzelner
Industriezweige wurden erhebliche Prämien ausgeschrieben, so für die Aufstellung von
Schleier- und Battiststühle». In Rochlitz und Grulich hatte diese Verfügung eine sehr
günstige Wirkung. Im Jahre 1789 standen in beiden Städten bereits 181 Battist- und
281 Schleierstühle. Mit Hilfe eines Ärarialvorfchufses von 4.000 Gulden erbante
Adalbert Koß in Starkenbach eine Leinenzwirnfabrik, die jedoch, kaum in Gang
gebracht, dnrch Feuer wieder zerstört wurde. Der Werth der im Jahre 1790 iu Böhmeu
producirteu Leiuwaud repräfentirte einen Werth von mehr als eilf Mi l l ionen Gnlden.
Der Engländer Thomas Thomson, der bald darnach Böhmen bereiste, nannte, die dortige
Leinenindnstrie besprechend, „den Himmel das große Dach dieser Fabrik".
Wie für die Einführung der Kohlenfeuerung bei der Glasindustrie große Begünsti-
gungen zugestanden werden sollten (1786), so wurde im selbe» Jahre zur Ausnahme der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch