Seite - 650 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Band 15
Bild der Seite - 650 -
Text der Seite - 650 -
65V
(1786 bis 1788) — die sofort Alles, was bisher an Coneurrenzunternehmungen vor-
handen gewesen, in den Schatten stellte. In einem einzigen Jahre vermehrte sich die Zahl
der Baumwollstühle um mehr als tausend.
Wie in Baumwolle, war auch in Flachs nud Wolle ein ganz entschiedener, glänzender
Fortschritt zu verzeichnen. In Manetin, Pollerskirchen und Heralec erhoben sich
neun „herrschaftliche" Tuch- und Zeugfabriken; die Reichenberger Tuchmacherzunft kouute
die ihr zukommenden Aufträge nicht bewältigen. Ähnliches war beim Leinwandhandel der
Fall. Johann Franz Theer, der, seines Zeichens ein Färber, im Jahre 1768 in Arnan
einen solchen Handel eröffnet hatte, erwarb sich dabei in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit
so viele Verdienste und ein solches Vermögen, daß er um 350.000 Gulden die Religions-
sondsherrschast Wildschitz an sich brachte und vom Kaiser in den erblichen Freiherreustaud
mit dem Prädikate „von Silberstein" erhoben wurde. Neben ihm genossen die Arnaner
Großhändler Franz Finger, Johann Christian Berger und Franz Lorenz verdientes
Ansehen. Auch Berger wurde, und zwar durch Erwerbuug der laudtäslicheu Güter Chotec
und Waldau Großgrundbesitzer; ebenso der Trautenauer Jgnaz Falke, und zwar durch
Kauf der Herrschaften Cista und Miletin.
Auch die Eisenindustrie nahm zur Zeit einen lebhaften Aufschwung. Das Horo-
vitzer Eisenwerk, eines der ältesten der Monarchie, erhielt durch den um die böhmischen
Erwerbsverhältnisse hochverdienten Grafen Josef Wrbna im Jahre 1785 eine gänzliche
Umgestaltung und zugleich eine Ausdehnung, daß es schon 179V zu den größten und vor-
züglichsten Werken seiner Art gehörte. Später mit Jinetz vereinigt, gab Horovitz in
mehrfacher, besonders technischer Richtung wichtige Impulse. Erwiesen ist, daß dort der
Sandguß statt des bisherigen Lehmgusses zuerst eingeführt wurde.
Aber nicht blos die alten, sozusagen ererbten Productionsweisen florirten, bisher in
Böhmen ganz unbekannte Erwerbsrichtungen wurden eingeschlagen. Franz Sper l ing,
Leinwandhändler in Nachod, war es, der im Jahre 1785 die erste (Rohr-) Zucker-
raff inerie einrichtete, und zwar in Neuhof bei Neustadt an der Mettau. Er hatte
gleichartige Anstalten in Finme und Trieft kennen gelernt. Von Lissabon, wohin er einen
schwunghaften Handel in böhmischen „Weben" unterhielt, bezog er statt baarer Bezahluug
amerikanischen Rohzucker, den er in Neuhof raffinirte — „wobei er seines weiteren Auf-
kommens um so mehr versichert sein konnte, als ihm in Rücksicht des aus Portugal
beziehenden Zuckerpuders und der dadurch diesem Staate geleisteten guten Dienste ein
königliches Privilegium auf zehn Jahre ertheilet worden, 24.000 Stück Leinwanden
nnentgeltlich einzuführen". Die Mauthe aber, das heißt der Einfuhrzoll nach Portugal
betrug bei Leinwanden böhmischer Provenienz 40 Procent vom Werthe der Waare.
Das Unternehmen glückte und fand Nachahmung. Graf Johann Fries, der bekannte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch