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niederösterreichische Großindustrielle, der rührigsten einer, nahm sich der Sache mit
gewohnter Umsicht und Geschicklichkeit an. Er gewann den ehemaligen Director der
„k. k. Bauater Commerz-Compagnie" und Jnstallator der TriesterZuckerraffinerie Josef von
Sanva igne und ging mit ihm noch im Jahre 1785 an die Gründung einer Gesellschaft
mit dem Aktienkapital von 150.000 Gulden, der Kaiser aber überließ dieser Gesellschaft
unentgeltlich das ehemalige Cistereienser-Klostergebände in Königssaal bei Prag. Obgleich
Graf Fries inzwischen starb, kam doch auch diese seiue Gründung zustande und wurde die
neue Fabrik, auf eine jährliche Verarbeitung von 30.000 Centner Rohzucker eingerichtet,
im October 1787 eröffnet. Ein Hofdecret vom 28. August 1789 legte auf ausländischen
Zucker ein Einfuhrverbot. Damit war in Böhmen wiederum der Keim zu einer Groß-
industrie gelegt, von deren künftiger überwältigender Bedeutung allerdings zur Zeit noch
Niemand eine Ahnung haben konnte.
Daneben darf noch anderer, anfänglich unscheinbarer Gewerbe-Einrichtnngen nicht
ganz vergessen werden, die in der Folge Hunderten, ja Tausenden Lebensunterhalt ver-
schafften. Solche Neueinrichtungen häuften sich — gewiß nicht durch bloßen Zufall — in
den letzten Jahren der Regierung Kaiser Josefs II. Zwei Franzosen, Lnnet und
Bonlogne, brachten in den Jahren 1780 bis 1784 die Erzeugung Pariser Handschuhe
«ach Prag, wo sie bald auch fabriksmäßig betrieben wurde und einen neuen, lohnenden
specifisch Prager Erwerbszweig gründete. Im Jahre 1790 wurde iu Prag die erste
Ehoeoladefabrik eingerichtet, die freilich nicht von Bestand war, bis die Ausbreitung der
Zuckerindustrie auch der Fabrikation dieses Nahrungs- und Genußmittels die Wege
ebnete. Gleichfalls 1790 errichtete Prokop Gindle unter Leitung Karl Richters, der als
geschickter Goldschmied sich der allgemeinen Achtung erfreute, die erste Goldwaaren-
fabrik in Prag, durch die der vorlängst feststehende gute Ruf der Altprager Goldschmiede-
kunst auch auf die Neuzeit übertragen wurde.
Aus der französischen Schweiz kam die Erzeugung sogenannter Spar ter iewaare ,
die Holzweberei, nach Ehrenberg bei Nixdorf, nachmals in dortiger Gegend eifrig
betrieben. Zur selben Zeit wurde in Grasli tz im Erzgebirge die Erzeugung von
Musikinstrumenten eingeführt; ihre Begründer waren Josef Anger, der dieses Kunst-
gewerbe in Leipzig bei der reuommirten Firma Sattler erlernt hatte, und Josef Bauer ,
gebürtig aus Marktneukirchen in Sachsen. Ein großer Theil der ganzen volkreichen
Umgebung von Graslitz und Schönbach zieht heute daraus ihre Nahrung. Eben damals
erreichte die nun wie vom Erdboden verschwundene böhmische Zinngießerei in den
Städten Schlaggenwald, Kar lsbad und Schönfeld ihre größte Blüte.
Wieder im Erzgebirge, in dem schon genannten Kalich bei Rothenhans, errichtete im
Jahre 1784 Josef Hein, Forstmeister des Grafen Rottenhann, eine Drechslerwaarenfabrik
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch