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Jahrtausende langem langsamen Sinken des Meeresbodens und dem damit Schritt
haltenden stufenweisen Emporsteigen der südöstlichen Bergkette das Wasser sich nach und
nach seinen Weg durch die Felsmassen brach, um von dem jetzigen ungarischen Alföld ans
die walachische Ebene hinanszugelaugeu. Wer wüßte zu sagen, ja wer könnte es sich auch
nur vorstellen, wie lange dieser titanische Kamps der Natur dauerte, da wir doch klare
Beweise haben, daß der durchschnittliche Wasserspiegel der Donau in dem die untere Donau
Ungarns umfassenden Felsenbette seit dem römischen Kaiser Trajan, also seit beinahe
zweitausend Jahren sich nicht im mindesten geändert hat.
Die Stein- und Knochenreste, welche sich in den das einstige Süßwassermeer um-
gebenden Felshöhlen gefunden, bezeugen noch jetzt, daß hier schon in vorgeschichtlicher
Zeit Menschen gelebt haben; und wie das Wasser sich nach und nach einen Weg bahnte
und immer mehr Boden trocken ließ, so stieg auch der Mensch von den Felsgipfeln immer
tiefer hinab und dehnte seine Wohnsitze auf die Ebene aus, wo seine Denkmäler das
stumme Erstaunen der Nachwelt erregen, aber auch den Forscher anspornen, sich wenigstens
ein beiläufiges Bild jener Zeit, jenes Menschen und jener Lebensweise zu entwerfen, von
denen ihm diese uralten Überreste Kunde bringen.
Das Dunkel, das auf der Geschichte solcher längstvergangener Zeiten ruht, lichtet
sich in dieser Gegend erst, als die Weltherrschaft Roms sich auch des Stromlaufes der
Donau bemächtigte, die erobernden Scharen der Lateiner mit ihren Schiffen auch diesen
Strom, das Band zwischen Ost und West, befuhreu, Daeien nnd Pannouieu begründen,
Donaubrücken bauen, für ihre Schiffe bis Regensburg hinauf einen Ziehpfad anlegen und
Festungen bauen, um das neue Reich zu vertheidigen und zu sichern, das aber schließlich
doch der von Osten daherströmeuden Völkerwanderung nicht trotzen kann und vor den
kraftvollen Heeren der Gothen und Gepiden, wie später der Hunnen zusammenbricht.
Die römischen Provinzen bekamen mit der Zeit neue Herren uud heute lebt das Volk der
Römer im Donanthale nur noch, soweit seine Denkmäler von ihm sprechen.
Und alsbald wieder erscheinen unserem geistigen Ange jene ritterlichen Scharen,
die das heutige Ungarn schufen, und wir überblicken Jahrhunderte von Kriegen, die das
Magyarenvolk als Schutzwall Europas gegen die Türkenmacht durchzukämpfen hatte.
So manche große Episode auch dieses Zeitraumes hat sich an der Donau abgespielt uud
mit dem gewaltigen Strome die mannigfaltigsten Erinnerungen verknüpft; das Bild, das
wir von ihm geben möchten, wäre also nicht vollständig, wenn wir nicht wenigstens in
großen Zügen auch dieser freud- und leidvollen Ereignisse gedenken würden.
Nachdem die Türkenherrschast gebrochen war, wurde auch die Donau wieder ihrer
friedlichen Bestimmung zurückgegeben; sie wurde zur Hauptstraße für den Verkehr des
Westens und Ostens, weithin bis zu den Küsten Kleinasiens, mit denen ja schon die gar
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch